Professoren im Volkstumskampf

Ernst Schwarz: Sprachforscher auf der Suche nach der (Ur-)Heimat
Der Begriff ‚Heimat’ tauchte im völkischen sudetendeutschen Milieu keineswegs erst mit der Erinnerung an die verlorene individuelle Heimat einzelner Vertriebener auf. Der Begriff ‚Heimat’ gehörte zu den Schlüsselbegriffen der sudetendeutschen völkischen Bewegung schon vor dem Zweiten Weltkrieg, wie nicht zuletzt die ursprüngliche Bezeichnung der berüchtigten Partei Konrad Henleins, „Sudetendeutsche Heimatfront“, zeigt. Für den Germanisten Ernst Schwarz spielte der Begriff ‚Heimat’ lebenslang eine wichtige Rolle, während er darüber hinaus zusätzlich eine Vorliebe auch für die Idee der ‚Urheimat’ hegte. Ein Mosaik von Zitaten aus seinen Werken der Jahre 1924-1970 illustriert die erstaunliche Kontinuität und gleichzeitig die intellektuelle Einfalt jener mentalen Welt, aus der dieser Sprachforscher seine Inspiration schöpfte.

Herbert Cysarz: Drei Facetten eines sudetendeutschen Volkstumsforschers
Die folgenden drei Texte des Literaturhistorikers Herbert Cysarz beleuchten die mentale Welt eines sudetendeutschen Volkstumsforschers von drei Seiten her: - Cysarzs apologetische autobiographische Selbstdarstellung aus dem Jahre 1968, - ein Beispiel der nationalsozialistischen Würding von Cysarzs ‚Verdiensten’, - Cysarzs Entwurf einer neuen NS-Literaturwissenschaft aus dem Jahre 1939. Cysarz gehörte jedoch auch zu den angesehenen Bohemisten in der Bundesrepublik Deutschland (u. a. als Mitglied des Collegium Carolinum in München) und wurde von der Sudetendeutschen Landsmannschaft mehrmals geehrt, u. a. 1961 mit dem Großen Sudetendeutschen Kulturpreis.

Hermann Aubin: Deutsche und Tschechen
Diese Textausschnitte aus den Veröffentlichungen von Hermann Aubin aus den Jahren 1942 und 1965 illustrieren, wie der in Deutschland vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutende Historiker die Deutschen, die Tschechen sowie ihre Beziehungen sah. Bemerkenswert ist dabei nicht nur die Kontinuität in Aubins Werk allein, sondern auch der Vergleich mit zwei ähnlichen Geschichtsbildern aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, die die Entwicklung der sudetendeutschen völkischen Bewegung in ihrer Anfangsphase mitbestimmten: vgl. Gustav Pirchan: Deutschböhmens Schicksalskampf in der Geschichte und Erich Gierach: Katechismus für die Sudetendeutschen.

Bruno Schier 1962 über Erich Gierach und das völkische wissenschaftliche network der Sudetendeutschen
Diese beiden Zitate aus einem Aufsatz im Jahrbuch des Münchner Collegium Carolinum aus dem Jahre 1962 verdeutlichen die Kontinuität der sudetendeutschen völkischen Bewegung auf dem Gebiet der Wissenschaft und der sog. Volksbildung in der deutschen Bohemistik der Nachkriegszeit. Bemerkenswert ist dabei nicht nur die personale Kontinuität der Seilschaften (Bruno Schier war einer der Herausgeber der Erich Gierach zum 60. Geburtstag 1941 gewidmeten Festschrift „Wissenschaft im Volkstumskampf“), sondern vor allem das unveränderte Verständnis von Wissenschaft als eines Instruments völkischer Politik, Propaganda und Agitation. Empfehlenswert ist der Vergleich dieses Textes aus dem Jahre 1962 mit den Darstellungen der sudetendeutschen Wissenschaftsgeschichte in Josef Pfitzner: Erich Gierach und der sudetendeutsche Volkstumskampf aus dem Jahre 1941 und Wilhelm Wostry: Sudetendeutsche Geschichte 1918-1938 aus dem Jahre 1943.
Begriffe wie „unsere größte auslanddeutsche Volksgruppe“ (Bohemia 3, 1962, S. 576) laden darüber hinaus ein zu einer psychologischen Analyse der Identitätsprobleme des Verfassers und seiner Umgebung: die schizophrene Gespaltenheit der sudetendeutschen völkischen Bewegung zwischen der kollektiven Identifikation mit „Deutschland“ einerseits und mit „Böhmen“ andererseits machte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Seiten der Münchner Zeitschrift Bohemia bemerkbar.

Theodor Mayer: Böhmen und Europa
Im Jahre 1960 veröffentlichte das Münchener Collegium Carolinum den ersten Band eines neuen Jahrbuchs. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Rolle sudetendeutscher Historiker vor 1945 sucht man darin vergebens. Ohne jedes Anzeichen einer Selbstreflexion setzten die sudetendeutschen Historiker ihre Aktivitäten genau dort fort, wo sie sie 1945 unterbrochen hatten. Nur kleine kosmetische Veränderungen in der Wahl der rhetorischen Mittel sind zu beobachten, wie die beiden hier ausgewählten Zitate aus dem einleitenden Aufsatz über „Böhmen und Europa“ von Theodor Mayer zeigen. Die historische Wissenschaft blieb hier auch weiterhin den traditionellen Zielen des völkischen ‚Volkstumskampfes’ treu; das Bild der böhmischen Geschichte wurde ebenso wie das im Titel verwendete Schlagwort Europa auf die Aufzählung der deutschen ‚kulturbringenden Leistungen’ reduziert. Für die deutsch-tschechischen Beziehungen ist diese Kontinuität der althergebrachten völkischen Agitation in der wissenschaftlichen Bohemistik der Bundesrepublik samt der darin verbreiteten Stereotypen und Geschichtsbilder bis heute von gravierender Bedeutung.

K. V. Müller: Volksbiologische Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen
In diesem Text des führenden sudetendeutschen NS-Rassentheoretikers Karl Valentin Müller liegt ein Beispiel für jene rassistisch-pseudowissenschaftliche Bilder der deutsch-tschechischen Beziehungen vor, die noch in der Bundesrepublik Deutschland popularisiert wurden. Der Text wurde im Jahre 1950 in einem Sammelband veröffentlicht, der als „das Standardwerk des Sudetendeutschtums“ galt und dem noch im Jahre 1970 ‚Nützlichkeit’ attestiert wurde (so Ferdinand Seibt in: Bohemica. Probleme und Literatur seit 1945, München 1970, S. 35). Aus dem hier vorliegenden Auszug geht hervor, in welcher Weise sudetendeutsche Wissenschaftler das „Tschechenvolk“ der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft vorzustellen pflegten: Es sei „schon ursprünglich aus der Vermählung von germanischem mit ‚slawischem’ Erbe“ entstanden, habe ein nationales Bewußtsein „erst nach reichlicher Blutsaufnahme aus dem anrainenden deutschen Volkstum“ gewonnen und „wurde nachweislich zumeist durch deutsche oder deutschblütige Erwecker immer wieder vor dem Niedergang und Aufgehen im großen deutschen Reichsvolk bewahrt“.

Wilhelm Wostry: Sudetendeutsche Geschichte 1918-1938
Dieser Text bietet die bisher beste Übersicht der Kontinuitäten in der sudetendeutschen Geschichtsschreibung bis zum Jahre 1945 und ist daher jedem Leser zu empfehlen, der sich über die NS-Vorgeschichte der bohemistischen Historiographie in der Bundesrepublik Deutschland informieren möchte. Dabei sind nicht nur die personalen, sondern vor allem die institutionellen und inhaltlichen (was die Themenwahl und den Forschungszweck betrifft) Kontinuitäten zu beachten. Für denjenigen, der heute noch glauben mag, daß die völkische sudetendeutsche Wissenschaft erst auf die vermeintliche tschechischen ‘Unterdrückungspolitik’ nach 1918 reagierte, wird die klare Feststellung von Wilhelm Wostry lehrreich sein, daß er die deutsch-tschechischen Konflikte nicht einmal im Rahmen der Habsburgermonarchie für ‚gelöst’ hielt (“Das Problem der böhmischen Frage, das die untergegangene Monarchie nicht hatte lösen können”). Besonders zu beachten ist dabei das hier deutlich formulierte Wissenschaftsverständnis der völkischen sudetendeutschen Geschichtsschreibung als Wissenschaft im Dienst der großdeutschen Politik (“Im ganzen läßt sich sagen, daß die sudetendeutsche Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung in ihrer Breite heimatkundlich, in ihren Ursprüngen gesamtdeutsch und in ihren letzten Zielen Volksforschung war”), nicht zu übersehen sind aber auch Wostrys antisemitische und antiliberale Akzente. Bemerkenswert ist auch Wostrys ausführliche Darstellung des Networks der sudetendeutschen völkischen Organisationen mit seinem Zentrum in Reichenberg/Liberec.

Wilhelm Weizsäcker: Böhmen und Mähren als deutscher Reichs-, Volks- und Rechtsraum
Wilhelm Weizsäcker, der führende Rechtshistoriker der sudetendeutschen völkischen Bewegung, genoß auch unter NS-Rechtshistorikern hohes Ansehen. In dem hier zitierter Text versuchte er, die Expansionspolitik des NS-Regimes mit seinen ‚wissenschaftlichen’ Ausführungen zu legitimieren. Der Text stammt aus dem repräsentativen Sammelband, den die NS-Wissenschaftler zusammen mit dem Staatssekretär SS-Gruppenführer Karl Hermann Frank dem Gedenken an den „Opfertod Reinhard Heydrichs“ widmeten, „dessen kurzes, aber unvergängliches Wirken dafür bürgt, daß die Fahne des Reiches für alle Zukunft von der Prager Burg weht“.

Hermann Raschhofer: Entwurf einer ‚wissenschaftlichen’ Propagandaaktion
Anläßlich des fünften Jahrestags des Münchener Abkommens von 1938 entwarf Hermann Raschhofer eine Reihe von Aktionen, mit denen der ‚feindlichen’ Propaganda der Alliierten sowie den tschechischen Emotionen entgegengewirkt werden sollte. Bemerkenswert ist dabei vor allem, daß sein Projekt, eine ‚Dokumentensammlung zur sudetendeutschen Frage 1918-1938‘ herauszugeben, nach dem Krieg in der Bundesrepublik verwirklicht und sein Buch sogar noch 1988 wegen der "Aktualität und bleibenden Gültigkeit der Aussagen" als bemerkenswertes Standardwerk neu herausgegeben wurde (Hermann Raschhofer/ Otto Kimminich, Die Sudetenfrage - Ihre völkerrechtliche Entwicklung vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. 1. Aufl. München 1953, 2. Aufl., München 1988).

Rudolf Lochner über Georg von Schönerer
Der Gründer der sog. alldeutschen, d. h. der ersten modernen großdeutsch, antislawisch und antisemitisch eingestellten politischen Bewegung in der Habsburgermonarchie, Georg Ritter von Schönerer (1842-1921), wurde nicht nur von Adolf Hitler in Mein Kampf als sein Lehrer bezeichnet, sondern auch von vielen Sudetendeutschen bewundert. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts rekrutierten sich Schönerers Anhänger vorwiegend aus den Ländern des heutigen Tschechiens (1901 erhielt dort seine Alldeutsche Vereinigung 20 von insgesamt 21 gewonnen Mandaten für den Wiener Reichsrat); auch anläßlich seines 100. Geburtstages im Jahre 1942 wurden sogar die Zuhörer an der Bonner Universität in einem Festvortrag vom bekannten sudetendeutschen ‚Volksbildner’ Rudolf Lochner über Schönerer als „den größten deutschen politischen Erzieher nach Bismarck und vor Adolf Hitler“ informiert. Hier liegen Auszüge aus jenem Vortrag vor.

Hermann Raschhofer: Entwurf einer ‚wissenschaftlichen’ Einrichtung
Hermann Raschhofer legte 1941 den Entwurf zur Errichtung eines „Ost-Instituts“ als einer Außenstelle der geplanten Hohen Schule der NSDAP in Prag vor. In einer bemerkenswert offenen Weise erklärte er hier seine Vorstellungen über den Sinn und Zweck deutscher wissenschaftlicher Einrichtungen, die „dem Volke, welches den eurasischen Raum geistig organisiert hat, auch die geistige Vorherrschaft“ sichern sollten. Seine Überlegungen sind u. a. deshalb von großer Bedeutung für die deutsche Bohemistik, weil Raschhofer Gründungs- und Vorstandsmitglied des Collegium Carolinum in München, der bis heute größten bohemistischen Forschungsstelle der Bundesrepublik Deutschland, war.

Kurt Oberdorffer über die ‚Wissenschaft im Volkstumskampf’
Dieser Text gehört zu den Schlüsseltexten für die Geschichte der sudetendeutschen Geschichtsschreibung. Kurt Oberdorffer selbst war zwar kein ‚Professor im Volkstumskampf’, da er es nicht zum Universitätsprofessor brachte, gehörte aber kraft seines politischen Amtes zu denjenigen, die den Professoren die politische Richtlinien vorgaben und als Belohnung für deren Einhaltung die Unterstützung der politischen Bürokratie sicherten. Deswegen war dieser Archivar, SS-Sturmbannführer und hoher NS-Beamter einer der drei Mitherausgeber der Festschrift für den im NS-Regime hoch angesehenen Germanisten Erich Gierach und steuerte dazu die Einleitung bei, in der die Grundgedanken der „Wissenschaft im Volkstumskampf“ erläutert wurden.

Josef Pfitzner: Erich Gierach und der sudetendeutsche Volkstumskampf
Dieser Text des sudetendeutschen völkischen Historikers Josef Pfitzner aus dem Jahre 1941 ist eine bemerkenswerte historische Darstellung der sudetendeutschen völkischen Bewegung auf dem Gebiet der Wissenschaft und der sog. Volksbildung (und damit auch eine wichtige Ergänzung zu Wilhelm Wostry: Sudetendeutsche Geschichte 1918-1938). Es zeigt detailliert die Entwicklung des völkischen organisatorischen Networks der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wobei u. a. die folgenden Punke zu beachten sind:
- Pfitzners Text weist nach, wie die sog. sudetendeutsche wissenschaftliche Tradition im Dienste der großdeutschen völkischen politischen Zielsetzungen entwickelt wurde; dabei wird
- die tiefe Kluft zwischen vielen deutschen Wissenschaftlern („Prager Judentum und die sehr stark jüdisch angekränkelten deutschen Liberalen und Demokraten“) einerseits und dem ‚völkischen Lager’ andererseits an der deutschen Universität in Prag in der Zwischenkriegszeit verdeutlicht;
- bemerkenswert sind auch Hinweise darauf, wie sich das ‚völkische Lager’ sowohl der kommunalen und staatlichen Finanzierung durch die tschechoslowakischen Behörden wie auch der finanziellen Unterstützung durch ‚Gleichgesinnte’ in Deutschland bediente.
Die Frage mag erlaubt sein, in wie weit die heutigen sog. grenzüberschreitenden Symposien und Tagungen völkischer Sudetendeutscher der hier eindruckvoll beschriebenen „Schulungsarbeit“ und den „Grenzverbrüderungsfeiern“ aus der Zwischenkriegszeit ähneln...

Wilhelm Wostry: Volksdeutsche Geschichtsbetrachtung
Dieser Text des Doyens der sudetendeutschen Historiographie Wilhelm Wostry zeigt den engen Zusammenhang zwischen der Tradition der deutschnationalen Historiographie in Böhmen seit den 1860er Jahren, der der völkischen Bewegung im 20. Jahrhundert (Wostry nennt es volksdeutsche Geschichtsbetrachtung) und der des Nationalsozialismus. Wostry zeigt sich hier nicht nur als engagierter Agitator Adolf Hitlers, sondern auch als Antisemit nationalsozialistischer Prägung. Nicht einmal das hat jedoch sudetendeutschen Historiker in der Bundesrepublik Deutschland gestört, als sie nicht nur Wostrys NS-Vergangenheit verschwiegen, sondern sich 1960 auf ihn sogar als die Identifikationsfigur ihres Kreises berufen haben (vgl. in Bohemia 1, 1960, S. 383-385).

Hermann Aubin: Rede zur Eröffnung der Sudetendeutschen Anstalt für Landes- und Volksforschung 1940
In diesem Text wird erkennbar, wie sehr die Haltung der sudetendeutschen völkischen Historiker zur tschechischen Nation im Einklang mit der NS-Politik stand. Er illustriert darüber hinaus auch die Gründe, warum die tschechischen Ängste um das nationale Überleben unter der NS-Herrschaft außerordentlich groß waren und nicht mit dem Hinweis auf die materiellen Lebensbedingungen vieler einzelner Tschechen im Protektorat abgetan werden dürfen: Diese Ängste sind nämlich auf dem Hintergrund deutschvölkischer Vorstellung zu sehen, die Tschechen seien nur eine ethnische ‚Volksgruppe’ auf historisch ‚deutschem Boden’ (vgl. Aubins Formulierungen wie z. B. „Das ganze Tschechentum ist völlig durchtränkt mit Deutschtum, nicht nur kulturell [...], sondern auch rein biologisch durch unaufhörliche Blutabgaben“). Auf dem Hintergrund dieses Textes sind auch ähnliche Ausführungen von Hermann Aubin aus der Nachkriegszeit zu lesen, als er zu den einflußreichsten Historikern der Bundesrepublik gehörte (vgl. auch Hermann Aubin: Deutsche und Tschechen).

Gustav Pirchan: Das Sudetendeutschtum im Wandel der Jahrhunderte
Dieser Text aus dem Jahre 1939 ist eine bemerkenswerte Variation des Textes von Gustav Pirchan aus dem Jahre 1918 (Gustav Pirchan: Deutschböhmens Schicksalskampf in der Geschichte). Hier wird nur eine kurze Passage aus Pirchans umfangreichem Aufsatz zitiert, um zu zeigen, wie die NS-Ideologie sein 1918 veröffentlichtes völkisches Bild der böhmischen Geschichte bereichert hat. Pirchans Texte zeigen u. a., warum die Vertreter der deutschvölkischen Sicht der Böhmischen Länder und ihrer Geschichte, die sie als einen Bestandteil des ‚deutschen Volks- und Kulturbodens’ betrachten, niemals der tschechischen Nation eine den anderen europäischen Völkern gleichberechtigte Stellung zuzugestehen vermögen und den Tschechen stets die Stellung einer nur halbwegs eigenständigen ‚Volksgruppe’ zuschreiben.

Hermann Aubin: Der Begriff „die Sudetendeutschen“ als ein völkischer Kampfbegriff
Dieser Text von Hermann Aubin aus dem Jahre 1939 zeigt, wie die Bezeichnung „sudetendeutsch“ als ein Kampfbegriff des ‚Volkstumskampfes’ konstruiert und warum seine Verwendung mit dem Bekenntnis zur alldeutschen völkischen Bewegung gleichgesetzt wurde – ein Tatbestand, der in Deutschland und Österreich bis heute nicht verstanden wird. Aus diesem Grund standen viele deutsche und tschechische Demokraten dieser Bezeichnung von Anfang an ablehnend gegenüber. Daher sollte man nicht die gesamte deutsche Kultur und Geschichte der böhmischen Ländern unter dem Begriff „sudetendeutsch“ zusammenfassen, sondern sie auch weiterhin als deutsch (oder deutschböhmisch) im Sinne deutschsprachig bezeichnen; die Bezeichung „sudetendeutsch“ bleibt dann der sudetendeutschen völkischen Bewegung vorbehalten.

Theodor Mayer: Wirtschafts- und Siedlungsgeschichte
Dieser Text stammt aus einem 1939 erschienen repräsentativen Sammelband mit folgender Widmung: „Dem Führer und Reichskanzler legt die Deutsche Wissenschaft zu seinem 50. Geburtstag Rechenschaft ab über ihre Arbeit im Rahmen der ihr gestellten Aufgabe.“ Da Theodor Mayer zwar vom deutschen Universitätsleben nach dem Zweiten Weltkrieg wegen seiner NS-Aktivitäten verbannt wurde, aber dennoch als Erster Vorsitzender der in München gegründeten „Forschungsstelle für die böhmischen Länder“ Collegium Carolinum einflußreich wirkte, verdienen seine wissenschaftstheoretischen Reflexion besondere Aufmerksamkeit.

Eugen Lemberg über Demokratie
Dieser Text stellt eine anschauliche Illustration der antidemokratischen Haltung der sudetendeutschen völkischen Jugendbewegung der Zwischenkriegszeit dar. Die scheinbar historisch erklärende Konstruktion wird hier zu einer Apologie des deutschvölkischen Antidemokratismus umfunktioniert. Unwillentlich bestätigt sie die tschechische Selbstdarstellung als eine von der Suche nach „Forschritt, Humanität und Demokratie“ geprägte Nation. Anhand dieses Textes können auch Eugen Lemberg Texte aus der Nachkriegszeit und ihre intellektuellen und rhetorischen Mäander nachvollzogen werden, als er in der Bundesrepublik die hier klar formulierte antidemokratische ‚Theorie‘ nicht mehr offen zum Ausdruck bringen durfte.

Eugen Lemberg über den tschechischen Nationalismus
Dieser Text aus dem Jahre 1938 des später in der Bundesrepublik bekannten Nationalismus-Theoretikers zeigt, wie die völkischen Ideologen von der Unvereinbarkeit des sog. westlichen mit dem sog. deutsch-mitteleuropäischen, d. h. nationalsozialistischen Nationsverständnis ausgingen und wie sie ihr Bild der vermeintlichen Kluft zwischen den Deutschen und Tschechen konstruierten: Die tschechische „westlerischen Orientierung“ erklärte Eugen Lemberg für einen Irrweg, weil die Tschechen ihr zuliebe in seinen Augen den Zusammenhang mit dem „mitteleuropäischen Blutkreislauf“ verloren hatten.

Gustav Fochler-Hauke: Das Wesen des sudetendeutschen Volksbodens und der deutsch-tschechischen Sprachgrenze
In NS-Deutschland erfreute sich dieses Buch des Geographen Gustav Fochler-Hauke aus dem Jahre 1937 großer Popularität und gehörte zu der auch in der deutschen bohemistischen Nachkriegsliteratur oft empfohlenen Literatur. Bemerkenswert ist der Text besonders als ein markantes Beispiel völkischen Sprachstils; zu beachten sind besonders die Neuschöpfungen seines pseudowissenschaftlichen Jargons, die hohle Phrasenhaftigkeit seiner Sprache bar jedes intellektuellen Inhalts sowie seine biologistischen Gesellschaftsbilder.

Rudolf Lochner: Der völkische Gegner – Die Tschechen
Dieser Text wurde 1937 von einem der bekanntesten sudetendeutschen ‚Volksbildner‘, Rudolf Lochner in Deutschland veröffentlicht. Es ist eine amüsante Ansammlung antitschechischer Stereotypen übelster Art, die der antitschechoslowakischen NS-Politik als wissenschaftliche Legitimation diente. Der Text bietet auch einen Einblick in sudetendeutsche Biertischmentalität, wie sie von der völkischen Bewegung in die Universitäten hineingetragen wurde. 1979 wurde der Verfasser dennoch als „der bedeutendste deutsche Wegbereiter der empirischen Erziehungswissenschaft“ (Bohemia 20, 1979, S. 258) bezeichnet.

Theodor Oberländer über die Tschechoslowakei im Jahre 1936
Dieser Text eines NS-Professors und später einflußreichen politischen Förderers sudetendeutscher Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland stellt ein anschauliches Beispiel der sowohl für das NS-Regime wie für die sudetendeutschen Organisationen in der Bundesrepublik charakteristischen antitschechoslowakischen Rhetorik dar. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die hier expressis verbis formulierte Verknüpfung zwischen der antitschechoslowakischen und der antidemokratischen Agitation: Theodor Oberländer präsentierte das Buch, zu dem er diesen Text als Einleitung beisteuerte, als eine „Anklage gegen die liberale Idee des westlichen, demokratischen Nationalstaates“. Zu beachten ist auch, zu welch einem vulgär-propagandistischen Buch des NS-Regimes dieser völkische ‚Gelehrter’ und spätere Bundesminister in Bonn bereit war, eine Einleitung zu schreiben.

Eugen Lemberg: Um die religiöse Wiedergeburt des Sudetendeutschtums
Hier wird der völkische Mißbrauch der Religiosität und vor allem des Katholizismus durch die sudetendeutsche völkische Bewegung anschaulich illustriert. Der Text wurde im Jahre 1932 veröffentlicht, Eugen Lemberg war damals Anhänger der völkischen katholischen Jugendbewegung und gehörte zu denjenigen, die sich voll und ganz auf die Seite des Nationalsozialismus stellten und im Dritten Reich dann sogar aus der katholischen Kirche austraten, wie er selbst in seinen lesenswerten Memoiren zwar unwillentlich und keineswegs offen, jedoch mit aller Deutlichkeit schrieb (Eugen Lemberg: Ein Leben in Grenzzonen und Ambivalenzen. Erinnerungen, niedergeschrieben 1972, mit einem Nachtrag von 1975, in: Eugen Lemberg 1903-1976, hg. im Auftrag des Collegium Carolinum von Ferdinand Seibt, München 1986, S. 131-278, hier S. 197).

Albrecht Penck: Deutscher Volks- und Kulturboden
Dieser Text aus dem Jahre 1925 ist von grundlegender Bedeutung für die völkische Denktradition im gesamten deutschsprachigen Raum und damit auch unter den Sudetendeutschen gewesen. Das von Albrecht Penck entwickelte Konzept des „deutschen Volks- und Kulturbodens“ war unter völkischen Sozial- und Kulturwissenschaftlern sehr einflußreich, obgleich es sich durch intellektuelle Simplizität auszeichnet: wo deutsch gesprochen wird, dort gehört die Welt zum „deutschen Volksboden“ und wo aufgeräumt und sauber gekehrt wird, dort haben wir es mit „deutschem Kulturboden“ zu tun. Der Text dokumentiert deutlich, wie die Einbeziehung der böhmischen Länder in den völkisch aufgefaßten großdeutschen Vorstellungen konstruiert und wie die großdeutschen völkisch-nationalen Besitzansprüche begründet wurden: „Eine eigene tschechische Kulturlandschaft gibt es nicht. Lediglich durch den geringeren Grad von Sauberkeit scheidet sich das tschechische Sprachgebiet von dem deutschen.“

Erich Gierach: Katechismus für die Sudetendeutschen
Die vorliegende Passage aus dem ersten seit 1918 in der Tschechoslowakei verbreiteten sudetendeutschen Bestseller illustriert, mit welchen historischen Vorstellungen die junge Generation der Deutschen in diesem Staat aufwuchs, bevor sich viele ihrer Angehörigen der völkischen Bewegung Konrad Henleins und mit ihr dem NS-Regime anschlossen. Da der Verfasser Erich Gierach Universitätsprofessor in Prag war, liegt hier auch ein Hinweis auf die enge direkte Verbindung zwischen dem deutschen akademischen Milieu Prags und dem Zentrum der sudetendeutschen völkischen Bewegung in Reichenberg vor.
Gierachs ‚Katechismus’ ist darüber hinaus während der NS-Diktatur von namhaften sudetendeutschen Historikern als ein Werk, „in welchem den Sudetendeutschen in kurzen Sätzen die Hauptpunkte ihrer Geschichte, ihrer Leistung und ihres hierauf gegründeten geschichtlichen Anrechtes eindringlich vorgehalten wurden“, gewürdigt worden (siehe Wilhelm Wostry: Sudetendeutsche Geschichte 1918-1938 und Josef Pfitzner: Erich Gierach und der sudetendeutsche Volkstumskampf); es wurde von sudetendeutschen Historikern im Münchner Collegium Carolinum noch 1961 als ein Werk hoch geschätzt, das „alle wesentlichen Daten aus Geschichte, Kultur und Wirtschaft des Sudetendeutschtums in so glänzender und einprägsamer Fassung“ zusammenfasse, daß „diese kleine Schrift ein Grundwerk der sudetendeutschen Volksbildung“ werden konnte (Bohemia 3, 1962, S. 573). Es wird bis heute in der sudetendeutschen Heimatpresse verbreitet (vgl. z. B. Falkenauer Heimatbrief 46-48, 1994-1996).

Gustav Pirchan: Deutschböhmens Schicksalskampf in der Geschichte
Dieser Beitrag von Gustav Pirchan aus dem Jahre 1918 ist bemerkenswert vor allem als „wohl die letzte geschichtliche Überschau der deutschböhmischen Geschichte, die vor dem Zusammenbruch des alten Österreich geschrieben wurde, und die erste, die nach Errichtung des neuen Staates im Druck erschienen ist“ (Wilhelm Wostry: Sudetendeutsche Geschichte 1918﷓1938). Die hier zitierte kurze Textpassage zeigt, wie sehr dieser Text sowohl mit seinem Inhalt wie auch seiner sprachlichen Diktion eine bemerkenswerte Vorwegnahme der nationalsozialistischen Ideenwelt darstellt (siehe Gustav Pirchan: Das Sudetendeutschtum im Wandel der Jahrhunderte).