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auf der Homepage einer geborenen Pragerin, die sich seit dreißig Jahren als Historikerin in Deutschland mit der Geschichte der deutsch-tschechischen Beziehungen beschäftigt und an keine sogenannte Nationalitätenkonflikte glaubt


Warum? Hier ist die Antwort:

Die allzu unmittelbare und einseitige Verknüpfung von Religion, Sprache und Volk, die allzu starre Ausrichtung der Religion an einem Allgemeinen haben zusammengewirkt, um das universale Verständnis der individuellen Kräfte hintanzuhalten, um die individuelle Wertung des Mannigfachen unmöglich zu machen.
Arno Borst

Das Bild "der Turm von Babel" wird oft als ein Bild der Sprachenvielfalt und der angeblich daraus resultierenden Schwierigkeiten aufgefasst, sich über die ethnischen Sprachbarrieren hinweg zu verständigen. Die historische Erfahrung lehrt uns dagegen, daß Menschen bisher nicht weniger Schwierigkeiten hatten, sich innerhalb einer sprach-ethnisch homogenen Gemeinschaft zu verständigen, als über die ethnischen Grenzen hinweg.

Haben nicht deutschsprachige Protestanten große Verständigungsschwierigkeiten mit den deutschen Katholiken oder Sozialdemokraten mit den Nationalsozialisten gehabt? Oder gar die Süddeutschen mit den Norddeutschen, wie Jan Neruda (1834-1891) während seines Besuchs in München 1863 beobachtete, als er dort zu seiner Überraschung häufiger gehäßigten Emotionen und Umgangsformen unter den zwischen den Alpen und der Nordsee lebenden Deutschen begegnete, als er von den deutsch- und tschechischsprachigen Böhmen und Mährern gewohnt war?

Deutsch-tschechische Beziehungen sind nicht deswegen problematisch, weil Deutsche und Tschechen unterschiedliche Sprache sprechen und in unterschiedlichen Traditionen aufwachsen. Viele Deutsche und viele Tschechen haben sich immer problemlos zu verständigen vermocht, ja sogar während des gesamten 20. Jahrhunderts; ein Deutscher, der Schriftsteller Klaus Mann, war der erste ausländische Besucher, der 1945 von dem tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš in seinem Amtssitz auf der Prager Burg empfangen wurde.

Es sind immer nur konfliktogene machtpolitische Interessen, die mit ethnischer Rhetorik verschleiert werden. Es ist jedoch nicht einfach, dies zu erkennen. Es ist nicht einfach zu erkennen, was Menschen meinen, wenn sie sprechen oder schreiben. Es ist nicht einfach zu erkennen, was sich hinter den Wortfluten verbirgt, mit denen sie sich übergießen, wenn sie ihre Absichten zu verschleiern bemüht sind. Das Gleichnis vom "Turm von Babel" repräsentiert mehr als nur die ethnische Vielfalt, es steht für die beschränkten Verständigungsmöglichkeiten unseres Sprachvermögens an sich.

Für die deutsch-tschechischen Beziehungen bedeutet es, daß vor allem eine kritisch-analytische Beschäftigung mit den uns überlieferten Spuren vergangener Diskurse ansteht. Erst wenn wir die diskursiven Praktiken deutscher und tschechischer Humanisten und Demokraten von denen der völkischer Nationalisten unterscheiden werden, werden wir diejenigen kennen, die den Idealen liberal-humanistischer Toleranz stets treu geblieben waren. Erst dann werden wir die Verantwortung für die traurigen Kapitel in der Geschichte der deutsch-tschechischen Beziehungen präzise verorten und die heute noch bestehenden Schwierigkeiten überwinden können.