Die ‚Vertreibung’ und das sudetendeutsche Gedächtnis:

Vortrag, gehalten im Rahmen der Tagung „Sudetenfrage“ und „Beneš-Dekrete“ im historischen und aktuellen Kontext, Demokratiezentrum Wien am 22. 6. 2002

Klaus Bachmann, der bekannte Kenner der deutsch-polnischen Beziehungen, hat unlängst die neue Welle des Interesses am Schicksal der deutschen Vertriebenen begrüßt und u.a. darauf hingewiesen, daß sie vielleicht auch zur Aufarbeitung der Geschichte bei den Vertriebenen-Verbänden beitragen wird: zur Bewältigung der – wie er es nennt – „blockierten Erinnerung bei den Vertriebenen-Verbänden“. Wie es der Zufall wollte, sein Artikel ist ausgerechnet an dem gleichen Tag erschienen, an dem ich die folgenden Überlegungen zum Bild der ‚Vertreibung’ im sudetendeutschen Erinnern und Vergessen niederschrieb – vielleicht werden die folgenden Überlegungen auch den sudetendeutschen Organisationen auf dem Weg in der von Klaus Bachmann angezeigte Richtung behilflich sein...

Am Anfang des sudetendeutschen Erinnerns an die Vertreibung stand die 1951 veröffentlichte Sammlung von „Dokumenten zur Austreibung der Sudetendeutschen“, das sog. sudetendeutsche Weißbuch. Diese Dokumente sowie ihre Interpretation wurden damals im Namen des Präsidiums der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen, der Vorgängerorganisation des heutigen Sudetendeutschen Rates, von drei führenden sudetendeutschen Politikern vorgelegt, Hans Schütz, Rudolf Lodgman von Auen und Richard Reitzner. Unter „Dokumenten“ verstand man damals Erlebnisberichte Betroffener, die in einer ganz bestimmten Art historisch kontextualisiert wurden.

Die Herausgeber diese Buchs vertraten die Meinung, daß durch die Vertreibung „die wichtigsten Gesetze der Moral und Ethik, des Völkerrechts und Naturrechts verletzt wurden“ und daß sich daraus zwangsläufig für die Sudetendeutschen „der Rechtsanspruch auf die nahezu tausend Jahre angestammte Heimat, auf Wiedergutmachung der Schäden und Bestrafung der Schuldigen“ ergibt. Darüber hinaus brachten sie ihre eigene Überzeugung zum Ausdruck, daß „durch die Austreibung der Sudetendeutschen [...] das Gleichgewicht in Mitteleuropa gestört“ wurde und „eine Lösung des sudetendeutsch-tschechischen Problems [...] nur im Rahmen einer größeren, über die deutsch-tschechische Frage hinausgehenden, das heißt europäischen Neuordnung stattfinden“ kann.

Zusammenfassend bedeutete dies, daß 1. die Aussiedlung der Deutschen nicht akzeptiert und 2. über das einfache Rückehrrecht hinaus eine neue Staatenordnung auf dem europäischen Kontinent angestrebt wurde. Die Dokumentensammlung wurde als Beweisführung für die Begründung dieser Forderungen konzipiert, und diesem Zweck entsprach deshalb auch die umfangreiche historische Einleitung.

Die Vertreibung wurde hier nicht im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg, sondern in der sudetendeutschen völkischen Tradition als ein Kapitel im sog. deutsch-tschechischen Volkstumskampf interpretiert. Dies ist eine Tradition, die ein äußerst reduziertes Bild der böhmischen Geschichte bietet: ein Bild, das die deutschen Bezüge dieser Geschichte in den Vordergrund drängt und die Tschechen in der Rolle von mehr oder weniger gelehrigen Schüler der Deutschen, oder der protestierenden antideutsch eingestellten Unruhestifter präsentiert.

Auf dem Hintergrund dieser Deutung der böhmischen Vergangenheit wurde im „sudetendeutschen Weißbuch“ von 1951 die Vertreibung in den Kontext der Vorkriegszeit gestellt: „Um die Vorgänge des Jahres 1945 in das richtige Licht zu setzen, ist es notwendig, auf das Jahr 1938 und von diesem wiederum auf die Zeit um 1918 zurückzugehen.“ Die Geschichte der Zwischenkriegszeit wiederum wurde ganz in der Tradition des großdeutschen Anti-Versaille-Revisionismus dargestellt, ohne jede Reflexion jener verheerenden Folgen, die diese Mentalität dem gesamten europäischen Kontinent brachte: „Der Ablauf der Ereignisse in Mitteleuropa seit 1918 hat deutlich bewiesen, daß die Bildung kleiner, nach der Tendenz eines verspäteten Nationalismus gebildeten Nationalstaaten keine befriedigende Lösung darstellt.“

In derselben Tradition wurde auch Edvard Beneš, das bête noire der völkischen sudetendeutschen Bewegung in der Zwischenkriegszeit, zum Hauptverantwortlichen für die Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa gekürt: „Es sei „mit Sicherheit anzunehmen, daß der entscheidende Initiator des Austreibungsedankens Dr. Beneš selbst gewesen ist“ und es sei klar, „daß Dr. Beneš auch im Hintergrunde als einer der Initiatoren der auf die Austreibung der Ostdeutschen bezüglichen Beschlüsse von Yalta und Posdam steht“.

Den Sudetendeutschen fiel in diesem Geschichtsbild die Rolle der ahnungslosen, passiven Opfer zu: Im September 1938 soll „ein starker Polizeiterror gegen das gesamte Sudetendeutschtum“ geherrscht haben, und die Sudetendeutschen seien „über die wirkliche politische Struktur des Dritten Reiches und seiner Methoden zum überwiegenden Teil ungenügend unterrichtet“ gewesen.

Das hier gebotene Bild der Tschechen wurde eindeutig negativ konnotiert: Während des Krieges habe die tschechische Bevölkerung weder einen nennenswerten Widerstand geleistet noch eine wirksame Sabotage gegen die deutsche Kriegswirtschaft verübt, die Tschechen blieben vom Kriegsdienst befreit und die „Ernährungsverhältnisse“ seien „allgemein nicht schlechter, wenn nicht sogar besser als in Deutschland“ gewesen – als ob die Tschechen auch noch dankbar hätten sein sollen... Aber auch dort, wo tschechischer Widerstand erwähnt wurde, etwa im Zusammenhang mit dem Prager Aufstand von 1945, finden wir nur massive Vorwürfe: „Durch die aufpeitschenden Hetzrufe des in tschechische Hände geratenen Prager Senders wurde die Stadt in einen förmlichen Blutrausch dämonischer Massenhysterie versetzt, die dem Sadismus Tür und Tor öffnete und die zu Greueltaten führte, die die Greuel der Hussitenzeit übertrafen.“ Daß sogar noch in den ersten Mai-Tagen 1945 allein in Prag 1 694 Tschechen von Deutschen ermordert wurden, ist hier nicht einmal erwähnt worden...

Bei der Ursachenklärung des vermeintlichen tschechischen „Versagens“ von 1945 wurde auf die Vorkriegszeit hingewiesen: „Die psychologische Wurzel für das Verhalten der Tschechen nach dem Mai 1945“ sei im „überspitzten nationalistischen Konzept zu suchen, das dem tschechischen Volk seit Jahrzehnten in Verbindung mit einer vielfach panslawistisch angehauchten Geschichtsideologie eingehämmert wurde.“

Insgesamt wurde in dieser Interpretation dem tschechischen Volk das Recht auf Eigenstaatlichkeit abgesprochen – das war die Begründung der schon erwähnten Forderung, das sudetendeutsch-tschechische Problem sei nur durch eine Neuordnung Europas zu bewerkstelligen: die Tschechen haben zu begreifen, daß sie „keinerlei Eigengewicht haben, solange sie sich nicht in einem größeren föderativen Verband mit den übrigen Völkern Mitteleuropas zusammenschließen.“

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Diese Interpetation der Vertreibung ist m.E. auch die Hauptursache der gegenwärtigen sudetendeutsch-tschechischen Probleme. Es gibt nämlich vieles, woran sich viele Tschechen und viele Deutsche anders erinnern.

Z.B. an die erste ČSR haben sich bei weitem nicht alle ihre deutschsprachigen Bürger als an einen „Völkerkerker“ erinnert. In Londoner Exil ist 1944 ein literarischer Sammelband „Stimmen aus Böhmen“ erschienen, in dem der deutschböhmische Schriftsteller Rudolf Fuchs seine Erinnerungen an die Entstehung der ČSR folgenderweise beschrieb: „Ich erinnere mich noch deutlich daran, als in den Zeitungen zum erstenmal die Landkarte der von Masaryk, Benes und Stefanik geplanten und beschlossenen neuen Tschechoslowakei erschienen ist. Auch viele von uns, die wir den Befreiungskampf der Tschechen und Slowaken im alten Oesterreich mit leidenschaftlicher Sympathie verfolgten und ihn, jeder an seinem Platz, unterstützten, hielten diese Landkarte für utopisch. Aber an jenem 28. Oktober 1918 hörte die Idee auf, eine Utopie zu sein, wurde Wirklichkeit, wurde der Rahmen unseres Lebens für zwanzig lange oder kurze Jahre.“ Rudolf Fuchs brachte ganz klar seine Zuversicht zum Ausdruck, die Tschechoslowakei möge wiederentstehen.

Ein anderer Deutscher aus der ČSR, Kurt Nelhiebel, der mit seinen Eltern mit einem sog. Antifa-Transport 1946 nach Deutschland umgesiedelt wurde, benützte schon in seinem 1962 veröffentlichten Buch „Die Henleins gestern und heute“ sogar jenen Begriff, der unlängst aus dem Munde des tschechische Ministerpräsidenten Miloš Zeman vernommen einen Aufschrei in Deutschland hervorrief: Sein Buch sei „eine Anklage gegen die ehemaligen Führer der ‚Fünften Kolonne’ Hitlers. Diese Anklage würde heute nicht erhoben, wenn die intellektuell mitschuldig Gewordenen sich zum Zeichen ihrer Reue und Scham von der politischen Bühne zurückgezogen hätten. Aber viele der Männer, deren Namen mit der Ausrottung- und Germanisierungspolitik gegen das tschechoslowakische Volk verbunden sind, zeigen weder Reue noch Scham. Im Gegenteil.“ – Und noch vierzig Jahre später, im Jahre 2002, erinnerte Kurt Nelhiebel im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Kampagne zur Aufhebung der Beneš-Dekrete in der Frankfurter Rundschau abermals an das, was die sudetendeutschen Politiker zu vergessen pflegen: „Das Wort von der fünften Kolonne Hitlers hat einen konkreten historischen Hintergrund.“

Und in der Tat, die Protagonisten der gegenwärtigen Dämonisierung von Beneš scheinen auch vergessen zu haben, in wessen Fußstapfen sie sich bewegen: Jene drei Politiker, die schon 1951 Beneš zum Hauptverantwortlichen für die Vertreibung deklariert hatten, waren nämlich keineswegs unparteiische Analytiker von Benešs Politik (und Historiker erst gar nicht...). Hans Schütz, ein ursprünglich christlich-sozialer Gewerkschaftspolitiker, trat nicht nur der SdP Konrad Henleins, sondern später sogar der NSDAP bei, also jenen beiden Parteien, die sich schon lange vor der Vertreibung durch militante Anti-Beneš-Agitation auszeichneten. Rudolf Lodgman von Auen, ein seit 1918 betont antitschechoslowakisch agierender Politiker, biederte sich bei Adolf Hitler persönlich sogar schon im Frühjahr 1938 an, um ihn seiner Sympathien zu versichern und sich als ein noch besserer Nationalsozialist zu präsentieren, als es seiner Meinung nach Konrad Henlein selbst war. Der dritte, Richard Reitzner, gehörte zu den Anhängern von Wenzel Jaksch in Londoner Exil, der bekanntlich Beneš nur so lange unterstütze, solange er als Präsident mächtig war, um sich von ihm abzuwenden, sobald er sein Amt verlor...

Es gibt vieles, wofür man Beneš mit guten Argumenten kritisieren kann. Das sein Name jedoch heute noch zum Feindbild der sudetendeutschen Vergangenheitspolitik in genau jener Art und Weise benützt wird, wie ihn dazu im Jahre 1951 seine ehemaligen politischen Gegner auserkoren haben, halte ich zumindest für beunruhigend.

Ein anderes wichtiges Kapitel im sudetendeutschen Vergessen betrifft die Idee einer Massenumsiedlung: Aussiedlungen, Umsiedlungen und Neuordnungen europäischer Verhältnisse waren nämlich auch bei vielen Sudetendeutschen ein beliebtes Thema. Als der furchtbarste Ausdruck dieser Mentalität gilt die "Denkschrift über die Behandlung des Tschechen-Problem und die zukünftige Gestaltung des böhmisch-mährischen Raumes", die der sudetendeutsche Staatsminister im Protektorat, Karl Hermann Frank am 28.August 1940 Hitler unterbreitete. Es waren jedoch nicht nur sudetendeutsche Spitzenpolitiker, die sich mit Projekten von Umvolkung, Eindeutschung oder Umsiedlung beschäftigten, sondern, wie sich der ehemalige Vizepräsident der Landesbehörde Böhmen in Prag Horst Naudé in seinen 1975 veröffentlichten Memoiren erinnerte " , auch zahlreiche kleine "Parteifunktionäre aus dem Sudetenland" sollen diesem neuen Hobby schon gleich zum Kriegsbeginn verfallen sein...

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All diese Erinnerungen sind bisher nicht zum Gegenstand des tschechisch-sudetendeutschen Dialogs geworden. Wenn sudetendeutsche Politiker an das Leid der Vertreibung erinnern, denken sie nämlich nach wie vor weniger an die Vergangenheit und einzelnen Opfer, als an ihre eigenen politischen Ziele.

Alfred Ardelt, kürzlich verstorbener Präsidiumsmitglied der Bundesversammlung der Landsmannschaft und 1986-2000 ihr Landesobmann in Niedersachsen, fasste 1993 seine Vorstellungen über die Vergangenheitsbewältigung so zusammen: „Die Tschechen haben das deutsche Land 1918 besetzt, sie mussten es 1938 herausgeben, sie haben es 1945 erneut besetzt und sie halten es besetzt. Das muß unsere Position sein.“ Daraus ergibt sich: „Den Tschechen darf nichts genommen werden, was ihnen gehört. Das Sudetenland gehört ihnen nicht, das haben sie besetzt, und das halten sie weiter besetzt.“ Die „sudetendeutsche Frage“, wie sie von sudetendeutschen Politikern verstanden wird, betrifft eben mehr als nur die Erinnerung und Würdigung des erlittenen Unrechts von 1945.

Dementsprechend diskutieren auch sudetendeutsche Politiker oft über Fragen, die vielen Deutschen und Österreichern heute etwas fremdartig erscheinen. So etwa Günter Reichert, der ehemalige Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung und heute führender Funktionär der Sudetendeutschen Landsmannschaft im Jahre 1986: „Es wird also irgendeine Form der ‚Staatlichkeit’ ausgewählt werden müssen, in der Deutsche, Tschechen und gegebenfalls Slowaken ihre Zukunft gestalten“. Reichert skizzierte eine Reihe von Optionen: eine weitgehende „Autonomie der sudetendeutsche Volksgruppe in einem gemeinsamen Staatsverband mit Tschechen“, ein sudetendeutscher „Gliedstaat [...] in einem Bundesstaat“ Tschechoslowakei, ein „europäisiertes, internationalisiertes Territorium am Rande nationaler Kerngebiete“ oder „die Bildung eines eigenen sudetendeutschen Staates“.

Aber auch der gegenwärtige Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe und Präsident des Bayerischen Landtags, Johann Böhm, beschäftigt sich in seinen Reden keineswegs mit Erinnerungen, sondern mit der Frage, wie das in der Satzung der SL verankerte Ziel heute zu erreichen sei: nämlich das Ziel, den „Rechtsanspruch auf Heimat und Selbstbestimmung der sudetendeutschen Volksgruppe durchzusetzen“.

Dies sei eben mehr, als nur die in der EU übliche Niederlassungsfreiheit, erläuterte Böhm unlängst: mit der Niederlassungsfreiheit sei eben nicht das Recht verbunden, „deutsche Schulen zu errichten, Deutsch als äußere Amtssprache zu verlangen oder Straßenschilder in doppelter Sprache gestattet zu bekommen“. Der nächste Punkt auf Böhms Gesprächsliste ist die Frage des Eigentums, das die Sudetendeutschen in ihrer alten Heimat zurücklassen mußten, und – für manche von Ihnen vielleicht überraschend - „die so genannten Beneš-Dekrete“ stellen erst den dritten Punkt auf Böhms Liste, "den die Tschechen aus der Welt schaffen müssten“...

Die heute allerorts zur Kenntnis genommene sudetendeutsche Forderung, die Beneš-Dekrete aufzuheben, bedeutet deshalb bei weitem nicht nur, daß die tschechische Regierung oder das Parlament die Vertreibung als Unrecht verurteilen sollten. Vielmehr sollen sie die Vertreibung für illegal und ungültig erklären und den sudetendeutschen „vierten Stamm Bayerns“ endlich auch als einen „Volksstamm Tschechiens“ anerkennen. Und genau dies ist das, worüber tschechische Politiker nicht zu verhandeln bereit sind. Nicht die Vergangenheit und die Erinnerungen sind deshalb der Gegenstand sudetendeutsch-tschechischer Schwierigkeiten, sondern jene politischen Forderungen, zugunsten deren die Erinnerungen an Vertreibung von sudetendeutschen Politiker von Anfang an instrumentalisiert wurden und bis heute werden.

Ob sich daran in absehbarer Zukunft etwas ändern wird? Ob das seit 1951 gepflegte sudetendeutsche kollektive Gedächtnis an Flucht und Vertreibung endlich einmal kritisch hinterfragt und von dem bisher Vergessenen ergänzt wird, damit auch die sudetendeutsch-tschechischen Debatten über die Vergangenheit endlich von politischem Missbrauch der Erinnerung an die Vertreibung befreit werden?

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Wenn mich persönlich jemand um einem Vorschlag für die weiteren (sudeten)deutsch bzw. österreichisch-tschechischen Diskussionen bitten würde, würde ich in diesem Augenblick ganz bestimmt seine Aufmerksamkeit auf das Problem – wie es Klaus Bachmann nannte – der „blockierten Erinnerung“ lenken. Ich persönlich würde drei Schritte vorschlagen, die der Vielfalt unterschiedlicher Erinnerungen Rechnung tragen:

1. die bisher in den sudetendeutschen Organisationen gepflegten Formen der Erinnerung zur Diskussion zu stellen und zu historisieren – d.h. die Geschichte der inzwischen über ein halbes Jahrhundert alten Gedächtnisformen einer sorgfältigen historischen Analyse zu unterziehen, 2. das in diesen Gedächtnisformen Verdrängte und Vergessene rasch aufzuarbeiten und zu ergänzen und

3. alle bisher aus den sudetendeutschen Organisationen ausgegrenzten und verleumdeten Vertriebenen zu rehabilitieren und in die Geschichte der Vertriebenen zu integrieren.

Daraus würde sich m.E. eine neue vielfältigere Form des sudetendeutschen kollektiven Gedächtnisses und damit sicherlich auch eine breitere Basis für die weiteren Debatten über die Vertreibung und über die vielfältigen Erinnerungen daran. So wie in einer Demokratie jedem Bürger die gleiche Wahlstimme zukommt, so meine ich, sollten wir endlich auch alle Erinnerungen an die Vertreibung gleichermaßen zur Kenntnis nehmen, anstatt die Erinnerungskonstruktionen ehemaliger Nazis und anti-Beneš-Propagandisten unkritisch auch weiterhin zu wiederholen.

Siehe auch bei: www.demokratiezentrum.org