Die Umsiedlung der Deutschen aus dem östlichen Europa im Rückblick:

Über die neuen Interpretationen der „Vertreibung“ als einer „ethnischen Säuberung“

 

Eva Hahn und Hans Henning Hahn

 

(Zit. aus Eva Hahn / Hans Henning Hahn: The Resettlement of the German Population from Eastern Europe in Retrospect: On the New Interpretation of ‚Expulsion’ as ‚Ethnic Cleansing’, in: DAPIM. Studies on the Shoa 19, 2005, S. 197-217 (In Hebrew with English Abstract)

 

„Was Juden durch Deutsche zugefügt wurde, ist diesen von Tschechen und Polen widerfahren.“[1]

 

 „Von allen Grausamkeiten und Katastrophen des letzten Jahrhunderts zählen ethnische Säuberungen zu den furchtbarsten Geschehnissen“[2]

 

Es hat lange gedauert, bis sich die deutsche Öffentlichkeit in den 1970er Jahren den Erinnerungen an die Shoah öffnete, anstatt sie nur den Betroffenen selbst zu überlassen. Seitdem gehört die Erinnerung an den Holocaust zum öffentlich artikulierten kollektiven Gedächtnis der deutschen Nation und wird vor allem unter den jüngeren Deutschen oft vorbehaltlos und mit einer rührenden Portion von Mitleid und Mitgefühlt gepflegt. Historische Literatur, Gedenkstätten, Denkmale, Ausstellungen, aber auch regionalhistorische Schülerprojekte, die sich der verfolgten und ermordeten Juden erinnern, gehören zum deutschen Alltag. Dennoch scheint nach wie vor über die Dimension des Verbrechens und dessen historische Kontextualisierung in der deutschen Öffentlichkeit Unklarheit zu herrschen. Die Beschwörungen der „Einmaligkeit“ dieses Verbrechens gehören zwar zu den inzwischen gefestigten Redeweisen der deutschen Sprache, aber manchmal könnte der Eindruck entstehen, daß diese Beschwörungen mehr zur Begründung des eigenen kollektiven deutschen Opfermythos beitragen, als zur Erinnerung an die gemarterten Juden. Dieser Eindruck wird genährt auch durch die Welle des neuen Erinnerns an die Umsiedlung der Deutschen aus dem östlichen Europa im Zuge des Zweiten Weltkriegs, die sich in den vergangenen fünf Jahren in der deutschen Medienlandschaft bemerkbar gemacht hat.

 

Als die Alliierten Siegermächte 1945 in Potsdam ihren Willen bekundeten, daß die deutschen Minderheiten aus dem östlichen Europa, und vor allem aus Polen und aus der Tschechoslowakei, nach Deutschland umgesiedelt werden sollen, lagen ihrer Entscheidung die Erfahrungen aus der Zwischenkriegszeit zugrunde. Damals waren große Teile der deutschen Minderheiten nicht bereit gewesen, die östlich von Deutschland errichtete neue Staatenordnung zu akzeptieren. Sie hatten auch maßgeblich zu ihrer Destabilisierung und zur Legitimation der großdeutschen Allüren Hitlers beigetragen. Alle Versuche um die Integration der Deutschen mit Hilfe demokratischer Strukturen sowie des völkerrechtlich verankerten Minderheitenschutzes waren nicht nur gescheitert, sondern wurden vom nationalsozialistischen Deutschland mißbraucht, um die Minderheiten in die Kriegsvorbereitung und Kriegsführung direkt einzubinden. Die Ratlosigkeit der Siegermächte angesichts dieser Erfahrungen und ihrer Folgen führte zu einer mit vollem Bewußtsein der damit verbundenen Probleme getroffenen Entscheidung, rund zehn Millionen Deutsche umzusiedeln. Es war eine historisch einmalige und in einer einmaligen während des verheerenden Zweiten Weltkriegs Situation getroffene Entscheidung gewesen, während der deutsche Antisemitismus sowie die Bestrebung, im östlichen Europa ein deutsches Kolonialreich aufzubauen, zu bis dahin unvorstellbaren Verbrechen führte. Die Einmaligkeit des Holocaust schuf eine einmalige historische Situation. Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands war in der europäischen Staatengeschichte ebenso einmalig, wie die daraus resultierenden Entscheidungen der Alliierten Siegermächte, u. a. über die Umsiedlung deutschen Minderheiten.

 

Kein europäischer Staat hat damals die völkerrechtliche Gültigkeit dieser Entscheidung in Frage gestellt, auch wenn sie von kritischen Stimmen begleitet wurde, die mit guten Gründen ihre humanitären Folgen anprangerten. Auch die DDR hat die Endgültigkeit der Alliierten Entscheidungen über die Zwangsumsiedlung der deutschsprachigen Bevölkerung aus Osteuropa anerkannt. Sie wurde als eine der Folgen der verbrecherischen nationalsozialistischen Kriegsführung gedeutet, und die rund vier Millionen Ankömmlinge wurden in die Strukturen des Landes integriert. Deshalb sind keine Vertriebenen- und Heimatorganisationen wie in der BRD und keine öffentliche institutionalisierte Erinnerungskultur entstanden. Das Erinnern blieb dem Privatleben überlassen. Nur einzelne Schriftsteller, wie Johannes Bobrowski, trugen ihre Erinnerungen an ihren Heimatverlust in den öffentlichen Raum hinein.

 

In der Bundesrepublik Deutschland wurde die im Potsdamer Abkommen legitimierte Entscheidung nie öffentlich anerkannt. Man bezeichnete die Umsiedlung als ‚Vertreibung’, schuf ein breites Netz von Vertriebenenorganisationen, und alle politischen Parteien unterstützen deren Ruf nach dem „Recht auf die Heimat“ sowie nach der Restitution des zurückgelassenen Vermögens. Der Begriff  ‚Vertreibung’ ist eine Metapher geworden, mit der die Entscheidung der alliierten Siegermächte, die deutschsprachige Bevölkerung aus dem östlichen Europa nach Deutschland umzusiedeln gemeint ist. Sie steht bis heute für eine im deutschen kollektiven Gedächtnis gepflegte Erinnerung an die als kollektives erlittenes Unrecht stilisierte Entscheidung der alliierten Siegermächte und wird in Bildern von grausam mißhandelten, hilflosen und unschuldigen Menschen konkretisiert und veranschaulicht. Die Vertreibung ist zum allgemein anerkannten Symbol eines an der deutschen Nation verübten Unrechts geworden, und Meinungserschiedenheiten bestehen nur über die Frage, wie dieses ‚Unrecht’ zu kontextualisieren sei und welche Folgen daraus für das gegenwärtige politische Leben abgeleitet werden können. Dabei werden die Erinnerungen an den Holocaust seit zwei Generationen als ein Vergleichsparameter instrumentalisiert.

 

Als erste verwendete den Vergleich zwischen Vertreibung und Holocaust der führende Ideologe des NS-Regimes, Alfred Rosenberg. Der seit 1933 das „Außenpolitische Amt in der Reichsleitung der NSDAP“ und 1941-1945 das „Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete“ leitende und als der Verfasser des neben Hitlers „Mein Kampf“ berühmtesten NS-Buchs „Mythus des 20. Jahrhunderts“ bekannte Rosenberg wurde im Nürnberger Prozeß zum Tode verurteilt. Während des Prozesses verfaßte er sein letztes Epos und formulierte darin mit der Gewohnheit eines ehemaligen Hauptschriftleiters des „Völkischen Beobachters“ jenes Bild der Vertreibung, das bis heute populär ist: Die „Opfer von Auschwitz, Majdanek usw. werden uns vorgehalten und haben den deutschen Namen furchtbar belastet, wobei allerdings die millionenfachen Morde, Vertreibungen, Deportierungen im deutschen Osten, unter den Augen der siegreichen Alliierten, nun ihrerseits furchtbar gegen die Ankläger sprechen“.[3]

 

In Nachkriegsdeutschland wurde das Bild vor allem von vielen ehemaligen Nazis immer wieder strapaziert: „Was Juden durch Deutsche zugefügt wurde, ist diesen von Tschechen und Polen widerfahren.“[4] So formulierte es etwa der schon vor dem Zweiten Weltkrieg bekannte deutschvölkische Ideologe Eugen Lemberg in seinem 1950 veröffentlichten Buch über ‚Nationalismus in Europa’[5]. In den Jahren danach ist er jedoch nicht nur zum bekanntesten Nationalismustheoretiker der Bundesrepublik aufgestiegen, sondern gehörte auch zu den Begründern der sog. Ostkunde, die den bundesdeutschen Schulkindern beizubringen versuchte, wie und warum es zur Vertreibung kam. Dabei wurde keineswegs auf den Zusammenhang mit der deutschen Geschichte oder gar mit Hitlers Projekt, in Osteuropa ein deutsches Kolonialimperium aufzubauen, hingewiesen. In seinen "Vorschlägen zur Planung und Gestaltung des ostkundlichen Unterrichts" formulierte Eugen Lemberg 1961 jene Interpretation der Vertreibung, die heute noch vom Bund der Vertriebenen propagiert und von vielen Deutschen unkritisch geteilt wird:

 

"Die Ursache der Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße wie aus den deutschen Siedlungsgebieten Ostmitteleuropas“, sollten sich Kinder merken, „liegt in dem Nationalismus der im 19. Jahrhundert zu eigenem Bewußtsein und Souveränitätswillen erwachten Völker, die das, wenn auch jahrhundertelange, Vorhandensein deutscher Volksgruppen in den 1918 errichteten Nationalstaaten als gefährlich, ihren kulturellen und wirtschaftlichen Einfluß als entwürdigend empfanden. Das von der Sowjetunion nach Westen gedrängte Polen empfand die Oder-Neiße-Gebiete als ehemals polnische und vertrieb die Deutschen zur Vermeidung von Nationalitätenproblemen. Nicht zu verkennen ist als Veranlassung die Entwürdigung und Unterdrückung dieser Völker durch den Nationalsozialismus, die jenen Nationalismus zur Weißglut steigerte.“[6] Die Vertreibung der Deutschen müsse aber auch, sollte nach Eugen Lembergs Vorstellungen den deutschen Kindern beigebracht werden, „im Zusammenhang mit den seit 1914 besonders Ost- und Mitteleuropa in Unruhe haltenden Vertreibungen, Fluchtbewegungen und gewaltsamen Umsiedlungen gesehen werden, unter ihnen der griechisch-türkische Bevölkerungsaustausch von 1923, die Massendeportationen durch die Sowjetmacht und die 'Heimholung' deutscher Volksgruppen (Baltendeutsche, Wolhyniendeutsche, Bessarabiendeutsche) durch Hitler.“[7]

 

Mit solchen Geschichtsbildern wuchs in der Bundesrepublik jene Generation deutscher Schulkinder auf, die heute in den Schlüsselpositionen das öffentliche Leben mitbestimmt. Es ist daher kaum verwunderlich, daß die neue Welle des Interesses an der Vertreibung in der deutschen Medien starke Spuren der schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit von ehemaligen Nazis in die Welt gesetzten Vergleiche zwischen der Vertreibung und dem Holocaust aufweist. Wenn alle Europäer dem vermeintlichen Bazillus des Nationalismus verfallen seien, und alle Nationen deshalb Verbrechen auf dem Gewissen haben, erscheint der deutsche Nationalsozialismus nicht anders als der Nationalismus anderer Völker, und so können auch die nationalsozialistischen Verbrechen in eine lange Reihe ähnlicher ‚Verbrechen’ eingeordnet werden – dieser einfache Gedankengang sorgt auch seit neuestem für vielerlei Verwirrung in der deutschen Öffentlichkeit. Heute geht es nicht mehr um die Verschleierung persönlicher Schuld, sondern um unbewußte mentalitätsgeschichtliche Kontinuitäten.

 

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In den 1990er Jahren erfuhr das Schlagwort vom 20. Jahrhundert als dem „Jahrhundert der Vertreibung“[8] in der deutschen Erinnerungslandschaft eine Hochkonjunktur. Es ging Hand in Hand mit dem Schlagwort „ethnische Säuberungen“. Die Vertreibung wurde nun in ethnische Säuberung umbenannt und sollte nach den Vorstellungen vieler Deutscher zum zentralen Ereignis der europäischen Geschichte im „Jahrhundert der Vertreibung“ stilisiert werden. Deutsche Medien entdeckten ein neues Thema, das Fernsehen strahlte als Dokumentationen der Vertreibung präsentierte Serien aus, rechtsradikale sowie die Vertriebenenpresse boten mit neuem Elan der nun interessierten Öffentlichkeit ihre traditionellen Darstellungen zu dem angeblich zuvor tabuisierten Thema, aber auch Historiker organisierten Konferenzen und lieferten Begründungen für Politiker unterschiedlicher couleurs, die die Revision unserer Geschichtsbilder anmahnten. Das Interesse an der Vertreibung als „ethnische Säuberung“ im „Jahrhundert der Vertreibung“ erschien vielen Deutschen als eine Neuentdeckung der Vertreibung. Im Sommer 2003 kulminierten die ‚neue Erinnerungswelle’ mit der Auseinandersetzung um das Projekt der Vertriebenenverbände, in Berlin ein „deutsches Mahnmal“[9] in Form eines staatlich sanktionierten „Zentrums gegen Vertreibungen“ zu errichten. Viele Deutsche verkannten die politische Brisanz des ‚neuen Erinnerns’ und verstanden nicht, was andere an Erinnerungen an unbestreitbar leidvolle Erfahrungen vieler Deutschen auszusetzen hatten.

 

Die neue Stimmung wurde von neuen politischen Allianzen getragen. 1998 fand in Berlin ein Regierungswechsel statt und gleichzeitig aber auch ein Führungswechsel an der Spitze des Dachverbands der Vertriebenenorganisationen, des Bundes (BdV), statt. Eine neue Bundesregierung aus Vertretern der SPD und der Grünen sah sich der CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach als neuer BdV-Präsidentin gegenüber. Die Vertriebenenverbände begegneten der rotgrünen Regierungskoalition zunächst mißtrauisch, weil sich aus diesen beiden Parteien traditionell ihre Kritiker rekrutiert hatten. Bald erklärte dennoch Erika Steinbach das „Unverhältnis“ zwischen der SPD und dem BdV für beendet und rechnete den Wandel vor allem Innenminister Otto Schily als Verdienst an: „Sie sagten vor laufenden Kameras in Ihrer ersten Veranstaltung beim Bund der Vertriebenen im Berliner Dom: ‚Die politische Linke hat in der Vergangenheit, das läßt sich leider nicht bestreiten, zeitweise über die Vertreibungs­verb­rechen, über das millionenfache Leid, das den Vertriebenen zugefügt wurde, hinweggesehen."[10] Der Innenminister stieg zur Lieblingsfigur der Vertriebenenorganisationen auf und fand viele Nachahmer unter seinen traditionellen Anhängern. Die neue Regierungskoalition präsentierte als Alternative zu dem von der CDU/CSU unterstützten Plan, ein „deutsches Mahnmals“ zu errichten, ein als ein „europäisches Zentrum“ oder „europäisches Netzwerk“ konzipiertes Projekt.[11]

 

Im Jahre 2005 sollten wir nun anläßlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes andere Festlichkeiten erwarten als zehn Jahre zuvor; in Deutschland bahne sich ein neues Meinungsklima an, kündigte schon im Jahre 2003 das Nachrichtenmagazin Der Spiegel an[12], da zwei Themen aus der deutschen Vergangenheit enttabuisiert worden seien: die „Flucht und Vertreibung“ und der „Bombenkrieg“. Man habe über beide Themen „jahrzehntelang mehr geschwiegen als geschrieben“[13], und „erst seit ein paar Jahren kehrt, wie die Erinnerung an Flucht und Vertreibung nach 1945, die Erinnerung an die Feuerstürme, die in den Jahren davor deutsche Stadtzentren verschlangen, ins öffentliche Bewußtsein zurück.“[14] Zu beiden Themen veröffentlichte das Nachrichtenmagazin zwei umfangreiche Serien, und die Grundzüge der neuen Deutung gingen schon aus den Überschriften hervor: „Die Deutschen als Opfer“ [15] und „Der Bombenkrieg gegen die Deutschen“[16]. Blutrünstig detaillierte Erzählungen der erlittenen Qualen, statistisch aufbereitete Angaben über die Verluste der Nation und feindselig konstruierte Porträts von Staatsmännern wie dem tschechoslowakischen Exilpräsidenten Edvard Beneš oder dem britischen Premier Winston Churchill als dem vermeintlichen Verursacher all des schlimmen Unrechts ließen keinen Zweifel am moralisch-politischen Standpunkt der Autoren entstehen. Politically correct wurde zwar jedesmal auch über die NS-Vorgeschichte berichtet und das Anliegen als bar jeglicher revisionistischer Bestrebungen dargelegt: „Es geht dabei nicht um die Aufrechnung von Schuld, wohl aber um die Frage der moralischen Legitimität“[17]. Die moralische Problematik einzelner Entscheidungen der Alliierten Siegermächte im Zweiten Weltkrieg wurde jedoch nicht diskursiv behandelt, da ihre Haltung schon a priori als moralisch illegitim apostrophiert wurde.

 

Die beiden Spiegel-Serien boten Geschichtsbilder an, die die Vertriebenenorganisationen in der Bundesrepublik schon immer zu verkünden pflegten. Erinnerungen an „Flucht und Vertreibung“ wurden in den Begriffsfeldern der Wörter Massaker, Todesmarsch, Hass, Rache und Vergeltung eingebettet und die „anderen“ Erinnerungen ausgeblendet. Die Motive sowie Entscheidungsfindungen der Alliierten wurden nicht aus ihrer Sicht oder einfach multiperspektivisch referiert, sondern denunziert. Die Verweigerung der Bundesrepublik, die von den Siegermächten im Potsdamer Abkommen 1945 festgeschriebenen Beschlüsse über die Umsiedlungen als völkerrechtlich gültige Entscheidung anzuerkennen, wurde nicht als eine international isolierte Haltung dargestellt; ja es wurde nicht einmal darauf hingewiesen, daß die ehemalige DDR stets von anderer Auffassung als die BRD ausgegangen war, die Legitimität des Potsdamer Abkommens anerkannt und sich damit im Einklang mit anderen europäischen Staaten befunden hatte. Das hier präsentierte subjektive Rechts- und Unrechtsempfinden wurde von rhetorischen Dunst umhüllt und als eine universalhistorische Gegebenheit verkleidet.

 

Zu einem der ersten Advokaten des Slogans „ethnische Säuberungen“ gehört einer der heute bekanntesten deutschen Osteuropahistoriker, Hans Lemberg. In seinem 1992 veröffentlichten Aufsatz „’Ethnische Säuberung’: Ein Mittel zur Lösung von Nationalitätenproblemen?“ [18] nahm er Bezug auf den Krieg im ehemaligen Jugoslawien und widmete seine Aufmerksamkeit vor allem dem „Krieg und Umsiedlungen im Herrschaftsbereich Hitlers“, den „Umsiedlungsplänen der Alliierten und ihrer Verwirklichung“ sowie der Vertreibung der Deutschen. In seiner Abhandlung über die „Entmischungsidee“ und „das von den deutschen Organen veranstaltete Herumsiedeln“ in der „kurzen Ära der NS-Herrschaft“ wurde auch Holocaust mitbehandelt:

 

„In dieser relativ kurzen Zeit hatte das von den deutschen Organen veranstaltete Herumsiedeln – das Wort sei gestattet – im östlichen Europa eine große Variationsbreite, in der es auch wohlorganisierte Rückführungen, ja Hof-zu-Hof-Umsiedlungen zwischen Deutschen und Polen mit vorgesehenem Werteausgleich gab; häufiger waren freilich die willkürlichen oder von vornherein unmenschlichen Austreibungsaktionen, in denen die planmäßige Deklassierung der Bevölkerungen besetzter Länder, besonders der polnischen, sowie das System der Zwangsarbeit bis hin zum Genozid der ‚Lösung der Judenfrage’ und der Konzentrationslager reichte.“[19]

 

Dieser Aufsatz zeigt, auf welch umfangreiche Literatur sich Protagonisten des neuen Schlagworts schon zu Beginn der 1990er Jahre stützen konnten und welche Gefahren sie liefen, wenn sie die NS-Vorgeschichte der Vertreibung bagatellisierten; vor allem den Holocaust. Hans Lembergs unter dem Begriff „große Variationsbreite“ des „Herumsiedelns“ subsumierte Erinnerung an den Holocaust stellt milde gesagt eine Verharmlosung dar und beruht auf dem alten Gedanken, den Deutschen sei widerfahren, was Juden durch Deutsche zugefügt worden sei. Damit gehört auch diese Darstellung in die mentale Welt derjenigen, die 1945 in Deutschland besiegt wurden und schon damals den Unterschied zwischen den Siegern und Besiegten nicht verstanden hatten. Hans Lemberg formulierte im Jahre 2001 seine Verständnislosigkeit deutlich: „Wie verwerflich, wie moralisch verkommen mußten diejenigen gewesen sein, die Elend und Entwurzelung verursacht hatten, die den Menschen ihre Habseligkeiten raubten und sie einem ungewissen Schicksal in der Fremde auslieferten! Das Unverständnis, ja der Abscheu und das Entsetzen richten sich nicht nur gegen die vielen Einzeltäter, sondern auch gegen diejenigen, die den so genannten Bevölkerungstransfer – welch verwaltungskühles Wort für solch eine brutale Aktion! – im Großen in Gang gesetzt haben, ob sie nun Hitler oder Stalin, Beneš oder Churchill hießen.“[20]

 

Das Schlagwort „ethnische Säuberungen“ machte jedoch bald die Runde auch unter deutschen Politikern. Anstelle der früher populären deutschnational orientierten Erzählungen über die Vertreibung sollen die deutschen Vertriebenen nun als Teil einer viel größeren Opfergemeinschaft gesehen werden: „Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden zwischen 50 und 70 Millionen Europäer auf Grund ihrer ethnischen Herkunft, ihres nationalen Bekenntnisses oder ihrer Religion vertrieben, umgesiedelt oder zur Auswanderung aufgefordert, deportiert bzw. zu Fremd- und Zwangsarbeit gezwungen.“[21] Dementsprechend soll auch die Erinnerung an die Umsiedlung der Deutschen aus dem östlichen Europa im Zuge des Zweiten Weltkrieges in neuen erst zu schaffenden europäischen Strukturen gepflegt werden: „Eine Politik der sog. ‚ethnischen Säuberung’ zu Gunsten eines homogenen Staatsverbandes hat zu unfaßbarem Elend geführt, das immer noch sichtbar und spürbar ist“, heißt es in einem Aufruf zur neuen Initiative, an die viele Deutsche Hoffnungen für eine bessere Zukunft der deutschen Erinnerungslandschaft knüpfen: „Wenn es in der Mitte Europas gelingt, in der Erarbeitung einer gemeinsamen Konzeption für ein Europäisches Zentrum gegen Vertreibungen und durch seine Errichtung, uns gemeinsam dieser schwierigen Geschichte zu stellen, wäre dies ein wichtiges Zeichen der Aussöhnung und des gegenseitigen Verständnisses für ganz Europa.“ Das Schlagwort „ethnische Säuberung“ bietet die Gelegenheit, die Vertreibung der Deutschen in einen moderner anmutenden Kontext gesamteuropäischer Geschichte, einzubetten, in dem die Deutschen die zahlenmäßig größte Opfer-Gruppe bilden. Polen und Tschechen stehen auf dem Pranger als diejenige Tätergruppe, die das Schlimmste auf dem Gewissen hat.

 

So propagiert etwa der sozialdemokratische Innenminister Otto Schily zwar einen für einen demokratischen Politiker merkwürdigen Gedanken eines „international gesteuerten Prozesses“, aber auch er fokussiert auf die „Täterschaft“ der beiden östlichen Nachbarnationen der Deutschen: „Aber die Vertreibungen am Ende des zweiten Weltkrieges, dem [sic] nahezu 15 Millionen Menschen zum Opfer fielen, war nicht nur ein international gesteuerter Prozeß sondern wurde auch vom Willen der Polen und Tschechen getragen, die nach sechsjähriger Besatzungszeit eine deutsche Minderheit auf ihrem Staatsgebiet nicht mehr dulden wollten.“[22] Die Grüne Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Antje Vollmer, sucht dagegen die Ursachen der Vertreibung in der ferner liegenden Vergangenheit: Die Französische Revolution habe Europa „einerseits Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gebracht“ [23], andererseits „aber zum erstenmal die Völker, und zwar die politisch ungebildeten Völker, zum Subjekt von Politik gemacht“. Die zweite Ursache sei im „Auseinanderbrechen der früheren europäischen Großreiche“. Diese beiden Entwicklungen hätten zu der „zerstörerischsten Wahnidee“ geführt, „die Europa je hatte, nämlich von ethnisch-homogenen Nationalstaaten, so dass diese nicht mehr in der Lage waren, mit anderen Kulturen und anderen Ethnien zusammenzuleben.“ Hier werden zwar weder Polen noch Tschechen genannt, aber als „politisch ungebildete Völker“, die ihre Nationalstaaten dem „Auseinanderbrechen der früheren europäischen Großreiche“ verdankten, galten sie in der deutschen historisch-politischen Literatur generationenlang, so daß wir auch diese Äußerung zu den altneuen Variationen der Schuldzuweisung an die beiden östlichen Nachbarsnationen Deutschlands zählen dürfen. Und ähnlich wie so viele andere deutsche Politiker und Historiker, hat auch Antje Vollmer nach wie vor Schwierigkeiten, die so oft verpönten ehemaligen Gegner zu verstehen, wenn sie etwa erklärt: Das seien „Menschen wie Präsident Wilson, Chamberlain, Churchill, später Stalin, die diese Wahnidee vertreten haben“. Keineswegs die Kriegstreiberei Hitlers, sondern diese „Wahnidee“ soll sogar zum München Abkommen 1938 geführt haben: „Das war der Grund, warum im Münchner Abkommen gesagt wurde, wenn die Deutschen nicht mehr mit den Tschechen zusammenleben können, dann sollen sie doch wählen können und wieder mit ihren Landsleuten zusammengeschlossen werden.“

 

Andere Deutsche, wie beispielsweise der Politologe Samuel Salzborn, wiesen dagegen auf die Gefahren dieser neuen Form von kollektivem Erinnern an die Vertreibung hin: „Dem stets halluzinierten Vorwurf einer deutschen Kollektivschuld, den es von alliierten Seite als politische Handlungsmaxime nicht gegeben hat, wird dabei mit einer Geschichtsinterpretation begegnet, die geradewegs auf die Schaffung eines Mythos deutscher Kollektivunschuld zusteuert.“ Die durch das geplante „Zentrum gegen Vertreibungen“ in Berlin zu erwartende „Zementierung der eigenen, wissenschaftlich alles andere als konsensfähigen Interpretation der deutschen Vergangenheit als kollektive Opfergeschichte würde sich wegen der örtlichen Nähe zum Holocaust-Denkmal auch symbolisch vollziehen.“[24] Die in der deutschen Öffentlichkeit gängige Reduktion von Vertreibung auf ihre Gewaltkomponente diene zur Projektion der eigenen historisch-politischen Verantwortung auf die Alliierten, erläuterte Salzborn in seiner kritischen Bestandsaufnahme das neue Erinnern. Seine ablehnende Haltung gegenüber den gegenwärtigen Bemühungen deutscher Politiker, der kritisierten Geschichtsinterpretation durch die staatliche Sanktionierung zur Verbreitung in der deutschen oder gar gesamteuropäischen Öffentlichkeit zu verhelfen, teilen zahlreiche international bekannte Wissenschaftler. Das zeigt u. a. die Unterschriftenliste des von Samuel Salzborn mitinitierten Aufrufs „Für einen kritischen und aufgeklärten Vergangenheitsdiskurs“ und gegen ein „Zentrum gegen Vertreibungen“.[25] In Deutschland begegnen wir dennoch nach wie vor einer weitverbreiteten Verständnislosigkeit  für die Geschehnisse des Jahres 1945, dort  läßt sich immer noch  jene  Verwirrung beobachten, die es nach wie vor vielen Deutschen nicht erlaubt, die Unterschiede zwischen „Hitler oder Stalin, Beneš oder Churchill“ zu erkennen.

 

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Die neue Mode, der Erinnerung an den Holocaust nun die Erinnerung an die Vertreibung als eine „ethnische Säuberung“ zur Seite zu stellen, ist zwar in Deutschland entstanden, hat sich aber inzwischen weltweit verbreitet. Der bekannte amerikanische Historiker Norman M. Naimark trug dazu bei. Sein Buch „Flammender Hass: Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert“ [26] ist rasch in den Kanon der ansonsten kaum überschaubaren Literatur über „ethnische Säuberungen“ avanciert. Der Begriff ethnische Säuberung sei im Zusammenhang mit dem Krieg in Jugoslawien zu Beginn der 1990er Jahren „in den internationalen Wortschatz der Verbrechen“ eingegangen[27], erklärt Naimark, und beruhe auf der Idee, daß das 20. Jahrhundert ein Jahrhundert der ethnischen Säuberungen sei: „Von allen Grausamkeiten und Katastrophen des letzten Jahrhunderts zählen ethnische Säuberungen zu den furchtbarsten Geschehnissen“[28]. Vertreibungen habe es schon immer gegeben, aber das Vertreibungs- und Flüchtlingsproblem im 20. Jahrhundert sei „durch den Einbruch einer außergewöhnlichen neuen barbarischen Gesinnung verursacht und gekennzeichnet“.[29]

 

Naimark – ähnlich wie alle anderen Anhänger der neuen Erinnerungswelle an die Vertreibung – behandelt die üblichen ‚Beispiele’ aus dem östlichen Europa sowie Vorderasien. Dementsprechend stützt auch er sich auf Literatur, in der häufig vom Völkermord die Rede ist und die Unterschiede zwischen dem Holocaust und den sonstigen nun als „ethnische Säuberungen“ bezeichneten historischen Ereignissen rhetorisch vernebelt und oft völlig verdrängt werden. Naimark selbst versucht, auf die Unterschiede zwischen Holocaust und Vertreibung hinzuweisen, aber auch sein Vergleich erweckt eher Verständnis für die Nazis als für die Polen und Tschechen:

 

-  Hitler habe geschwankt „zwischen dem, was wir heute als Aufforderung zu Genozid, Massenmord und Holocaust bezeichnen würden, und Forderungen nach ethnischer Säuberung und der Deportationen der Juden aus Deutschland und ganz Europa. Auf der Ebene der staatlichen Richtlinien und ihrer Durchführung ging die Manie zur Deportation, Isolierung und Verbannung der Juden an irgendeinen fernen Ort unmittelbar in den industriellen Massenmord, die Shoah, über – fast ohne daß die NS-Behörden den Unterschied bemerkten oder erwähnten."[30]

-  Tschechen und Polen sollen dagegen zielbewußt und rachesüchtig gehandelt haben: „Tschechen und Polen benutzten den Deckmantel des Krieges und den Übergang vom Krieg zum Frieden, um die Deutschen aus ihren Ländern zu vertreiben und alte Rechnungen zu begleichen. Das Verhältnis zur deutschen Minderheit war in beiden Ländern zwischen den Kriegen problematisch gewesen. Nationalistische Gefühle und der verständliche Wunsch nach Rache durchdrangen die polnische und tschechische Bevölkerung, als sie es ihren deutschen Unterdrückern gewaltsam heimzahlen konnte.“[31]

 

Das Bild eines schwankenden Hitlers, der all das, was in Deutschland und dem besetzten Europa geschah, gar nicht so richtig beabsichtigte, sowie die Erinnerungsbilder an die nationalsozialistischen Beamten, die meist nicht einmal gewußt haben sollen, was sie taten, war ebenso populär unter den ehemaligen Nazis in Nachkriegsdeutschland, wie das hier präsentierte Bild der zielbewußt und gleichzeitig von antideutschen Emotionen getriebenen und die deutsche ‚Notlage’ sowohl nach dem Ersten wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg ausnützenden tschechischen und polnischen Politikern. Naimarks historische Darstellungen und Erklärungen sind nicht originell und basieren nicht auf seinen eigenen Forschungen. Er gab selbst zu, daß „es eine große Herausforderung“ war, „einen Überblick über die Forschungsliteratur zu meinen fünf Fallbeispielen zu gewinnen“[32], und man kann sich seine Schwierigkeiten vorstellen, sich über die „Armenier und anatolischen Griechen“, „Die Judenverfolgung im Dritten Reich“, „Die sowjetische Deportation der Tschetschen-Inguschen und der Krimtataren“, „die Vertreibung der Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei“ sowie „Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien“ gleichzeitig zu informieren. Es ist dennoch schwer zu erklären, warum sich ein amerikanischer Historiker seiner Statur am Ende des 20. Jahrhundert ausgerechnet der deutschen postnationalsozialistischen Geschichtsbilder aus der Nachkriegszeit bedient.

 

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In Norman Naimarks bibliographischen Anmerkungen begegnen wir häufig Hinweisen auf Arbeiten zeitgenössischer deutscher Historiker. Darin liegt wahrscheinlich auch seine Bereitschaft begründet, den Holocaust als „ethnische Säuberung“ zu reinterpretieren. Dabei beruft er sich u.a. auf den bekannten deutschen Holocaust-Forscher Götz Aly. Dieser gehörte selbst zu den ersten Protagonisten des Konzepts „ethnische Säuberungen“ in der deutschen Öffentlichkeit. In seinem 1993 veröffentlichten Artikel „Jahrhundert der Vertreibung“[33] erfuhren die Leser unter der Überschrift „Gruppenwanderungen in Europa“, daß in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in ganz Europa nahezu 55 Millionen Menschen von „Flucht, Verdrängung, erzwungener oder staatlich geförderter Umsiedlung“ betroffen gewesen sein sollen. Dies sei in drei Perioden geschehen. Angefangen habe es 1917-1939 und als Ursache werden „die Folgen des ersten Weltkrieges und die Bestimmungen der Versailler Friedensverträge“  sowie „die Zwangsumsiedlungen in der Sowjetunion“ genannt; 1939-1944 sollen „etwa 12,3 Millionen Personen“ vor allem „als Folge militärischer Eroberungen vertrieben oder umgesiedelt“ worden sein; für die dritte Periode, 1944-1951, werden „fast 30 Millionen Personen, davon 17,5 Millionen Deutsche“ genannt, mit dem Hinweis: „Flucht und Vertreibung waren in dieser Periode direkte Folge des Krieges und der Niederlage des NS-Systems.“ Hier könnte der Eindruck entstehen, als handele es sich um Zahlen von Menschen, die ihren Wohnort wechselten und daher habe diese Aufstellung nichts mit Holocaust zu tun. Als Quelle gibt Aly das 1952 in Kiel veröffentlichte Buch „Völker auf dem Wege“ von Gotthold Rhode an[34], und da Rhode einer der bekanntesten bundesdeutschen Osteuropahistoriker war, wäre sicherlich kaum ein Leser auf die Idee gekommen, an der Glaubwürdigkeit dieser statistischen Aufstellung zu zweifeln.

 

Wenn man jedoch das Buch von Gotthold Rhodes in die Hand nahm, hätte man zur kritischen Überprüfung von Alys Text angeregt werden müssen. Götz Aly erweckte den Eindruck, als handele es sich bei der Quelle um eine Studie über „ganz Europa“; der verschwiegene Untertitel des Buches hieß jedoch: „Verschiebungen der Bevölkerung in Ostdeutschland und Osteuropa seit 1917“. Nicht Europa, sondern der „Ostraum“, wie es im Text verkürzt hieß, waren das eigentliche Thema von Rhode, und er behandelte keineswegs nur die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die „Abwanderung der Germanen aus den ostdeutschen und osteuropäischen Siedlungsräumen“, die „große deutsche Ostsiedlung“ sowie „die slawische Unterwanderung der deutschen Siedlungsinseln im 15. und 16. Jahrhundert“ wurden hier mitbehandelt wurden[35], und schon allein diese rhetorischen Mittel zeigen, daß es sich um ein unverhohlen im NS-Jargon geschriebenes Pamphlet handelt.

 

Rhodes Buch wurde mit der erklärten Absicht geschrieben, „die Gesamtheit dieser Verschiebungen zu umreißen, die die Deutschen zwar am schwersten betroffen, darüber hinaus aber die gesamte Völkerwelt des Ostraumes von Finnland bis nach Griechenland hin erschüttert“ haben sollen.[36] Der „Nationalstaatsgedanke“ wird hier als eine sich während des Ersten Weltkriegs durchsetzende und mit nationalen Haß gleichzusetzende Idee präsentiert: „Ganz selbstverständlich erschien der erste Weltkrieg als ein Krieg nicht von Staaten, sondern von Völkern, von Nationen, deren Leidenschaft und Haß sich gegen die Feinde mit seiner Intensität und Wildheit wandte, wie sie in der Neuzeit nur aus den Balkankriegen bekannt war.“ Rhodes stereotyper Hinweis aus den „Balkan“ als des ‚anderen’, durch „Wildheit“ repräsentierte Europa[37], liest sich wie eine Vorwegnahme der Verknüpfung zwischen der Umsiedlung der Deutschen im Zuge des Zweiten Weltkriegs und den Jugoslawien Kriegen der 1990er Jahre, die Götz Aly und nach ihm viele andere Autoren angeregt zu haben schien.

 

An vielen Stellen liest sich Rhodes Buch wie eine Neuauflage der NS-Propaganda. Die „Heimholung“ der „deutschen Volksgruppen“, deren „Deutschtum“ durch ihre „isolierte Lage bedroht schien“, sei von Hitler als eine Schutzmaßnahme durchgeführt worden, die „Hunderttausende deutscher Menschen vor der Verschickung, Zerstreuung und Vernichtung gerettet“ haben soll.[38] Das „Einströmen von 8 Millionen Kriegsgefangenen und Arbeitern nach Deutschland“ sei „nicht eine wirkliche Wanderung“ gewesen, „da sie alle ja ihren Wohnsitz beibehielten“.[39] Der „deutsche Vormarsch in die Sowjetunion“ soll „natürlich ungeheure Fluktuationserscheinungen“ ausgelöst haben, „die aber als vorübergehend und statistisch nicht erfaßbar“ zu sehen seien und daher „hier nicht besprochen werden sollen“.[40] Und die „Slawen“ stehen wieder einmal am Pranger: sie seien am Ende in Gegenden vorgedrungen, „die überhaupt noch nie von ihnen besiedelt waren oder in denen seit vielen Jahrhunderten keine Slawen mehr gelebt hatten“.[41]

 

Daß sich jedoch sogar der bekannte Holocaust-Experte Aly von Rhodes zynischem Umgang mit Holocaust anstecken ließ, ist besonders bemerkenswert. Schon die Formulierung, daß „Auswanderung, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus die deutschen Juden erfaßte“[42], hätte Aly stutzig werden lassen müssen. Daß diejenigen Juden, die sich in der Emigration retten konnten,  nicht freiwillig auswanderten, weiß Götz Aly sicherlich; Rhodes Anspielung auf das antisemitische Stereotyp der Juden als wandernde Nomaden scheint ihm entgangen zu sein. Aber Rhode beließ es nicht nur bei einem solchen möglichen ‚Versprecher’. Die Deutschen seien die eigentlichen Opfer der Zwangsumsiedlungen, denn sogar den Juden soll es besser ergangen sein: „Ebenso wie die Deutschen sind auch die Juden aus Ostmitteleuropa verschwunden, denn soweit sie der Vernichtung entgingen, haben sie freiwillig ihren früheren Wohnländern den Rücken gekehrt.“[43]

 

In der detaillierten statistischen „Übersicht über die Gruppenwanderung in Europa seit 1917“, auf die Götz Aly die seinen Lesern 1993 gebotenen Informationen stützte, listete Rhode 117 „Gruppen“ auf, darunter auch „Juden“. Seine 1952 in der Bundesrepublik veröffentlichten Angaben sind sehr überraschend, wenn man bedenkt, daß sie der Feder eines angesehenen bundesdeutschen Universitätsprofessors entstammen.

 

Rhode nennt vier Gruppen von Juden:

- 1933-1939 sollen 225 000 Juden durch „Flucht und Verdrängung“ aus dem Deutschen Reich nach „Österreich, Westeuropa u. USA, Palästina“ als „Ansiedlungsland“ gekommen sein;

- 1938-1939 sollen weitere 150 000 aus „Österreich und Böhmen-Mähren“ nach „Westeuropa und USA, Palästina“ durch „Flucht und Verdrängung“ gekommen sein;

-  1939-1940 sollen 300 000 Juden aus dem „Reichgau Wartheland“ in das „Generalgouvernement“ „zwangsumgesiedelt“ worden sein,

- 1941-1944 sollen „(?) 1 500 000“ Juden aus dem Deutschen Reich, Holland, Belgien, Slowakei, Ungarn und Frankreich durch „Zwangsumsiedlung bzw. Überweisung in Vernichtungslager“ ins „Generalgouvernement“ als „Ansiedlungsland“ gekommen sein.[44]

 

Durch die Einordnung des Holocaust in den Kontext von „Gruppenwanderung“ in Europa und die Aufzählung der ‚wandernden’ Juden unter 117 ‚Gruppen’ präsentierte hier ein namhafter deutscher Historiker sein völliges Verkennen dessen, was sich während des Zweiten Weltkriegs unter deutscher Besatzung im östlichen Europa abgespielt hat. Das kleine Fragezeichen, mit dem Rhode seine Angabe von 1 500 000 ‚zwangsumgesiedelten bzw. in Vernichtungslager überwiesenen’ Juden versah, deutet darauf hin, daß sich darüber hinaus seine Darstellung des Holocaust keineswegs nur als eine aus Unverständnis entstandene Verharmlosung abtun läßt; es scheint eine bewußte Verfälschung gewesen zu sein. Auch dies ist ein Beispiel dafür, wie populär es in Nachkriegsdeutschland war, die Deutschen als „Opfer“ mit Juden zu vergleichen. Es zeigt aber auch, warum es kaum überraschend ist, daß man auch schon damals solche Vergleiche sogar bis zum Vergleich beider Nationen als „Täter“ ausweitete: „Als Volksschicksal aber ist das jüdische dem deutschen nicht unähnlich“, schrieb 1950 der schon zitierte Eugen Lemberg: „hat sich nicht auch im jüdischen Volk im leidenschaftlichen Kampf um den zu spät und nie ganz erreichten Nationalstaat ein Nationalismus mit allen Abstufungen von geistiger Spitzenleistung bis zum Terror und Verbrechen entwickelt?“[45]

 

Götz Aly stellte das 20. Jahrhundert als das „Jahrhundert der Vertreibung“ dar; die „ethnischen Säuberungen im ehemaligen Jugoslawien“ seien die Folge „eines großen europäischen Irrtums“ gewesen: „Die Grundlage für diese und viele andere Zwangsumsiedlungen hatten nicht allein Ideologen und Diktatoren gelegt – auch Pragmatiker und Demokraten“. Über Juden schrieb diesmal Aly nicht, nur in den statistischen Angaben über die „Gruppenwanderung in Europa“ wurden die ermordeten Juden mitgezählt. Wo der Erste Weltkrieg, das Potsdamer Abkommen und der Jugoslawien-Krieg die Säulen der historischen Erzählung über das 20. Jahrhundert bilden, erscheint der Holocaust als eine Episode irgendwo dazwischen, so ähnlich, wie er in Rhodes statistischen Übersicht auftauchte. Die „alliierte Friedensordnung von 1945“ soll nun das größte Übel verursacht haben: „25 Millionen Menschen wurden damals ihrer Heimat verwiesen, zwangsweise umgesiedelt“.  Alys Darstellung entspricht dem vor einem halben Jahrhundert in der befreiten und demokratischen Bundesrepublik propagiertem Geschichtsbild von Gotthold Rhode in einem erschreckendem Ausmaß, trotz der individuell unterschiedlichen Kolorierung durch die beiden Autoren.

 

Ähnlich wie Rhode und im Unterschied zu den meisten anderen Protagonisten des Begriffs „ethnische Säuberungen“, finden sich in Alys Artikel keine Ausführungen über den tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš als den vermeintlichen Initiator der Vertreibung. Aly sang 1993 eine Ode an Benešs Nachfolger: Václav Havel habe mit seiem Urteil seine Landsleute provoziert und das Übel verurteilt, aber nicht nur das: „Havel geht ja weiter. Mit seinem Diktum vom Vertreibungsunrecht an den Sudetendeutschen ist auch die alliierte Friedensordnung von 1945 gemeint.“[46] Damit wurde Aly Opfer eines Mißverständnisses. Havel verurteilte keineswegs die „Friedensordnung von 1945“, wie es manche seiner deutschen Sympathisanten vermuteten: „Der Nationalsozialismus, München, der Krieg und all dessen bitteren Früchte gehören in die Geschichte und das einzige, was wir tun können und auch tun wollen, ist uns zu bemühen, diese Geschichte zu begreifen und alles dafür zu tun, daß sie sich nie mehr wiederholt.“[47] Ob Götz Aly persönlich eine Revision der alliierten Friedensordnung von 1945 anstrebt, ist nicht klar, aber die Revision unserer Geschichtsbilder strebt er sehr wohl an. Die Tatsache, daß seine eigenen Geschichtsbilder auf jene Tradition des deutschen Gedächtnisses rekurrieren, die sich auch um politische Revision bemühten, verleiht dem historischen Revisionismus von Götz Aly auf jeden Fall politische Brisanz. Deshalb sind seine historischen Ausführungen mit der Kritik Havels an der Vertreibung, der sich um moralische Aspekte des europäischen Gedächtnisses kümmert, nicht vereinbar.

 

Zehn Jahre später, im Sommer 2003, sprach Götz Aly im Zusammenhang der Vertreibung nicht mehr von 17,5 Millionen Deutschen, sondern nur noch von 12 Millionen; dafür wurde seine Empörung stärker: „Die Vertreibung von mehr als zwölf Millionen Deutschen aus Ostmitteleuropa gehört zu den Massenverbrechen des 20. Jahrhundert.“[48] Über die Ursachen änderte sich seine Meinung inzwischen keineswegs: „So sprach der politische Zeitgeist aus dem Mund von Diktatoren und Demokraten. Die Wurzeln der gewalttätigen Homogenitätsideologie finden sich im Sprachnationalismus, in den sozialen Bewegungen und in den nationalistischen Gefühlsschüben des Ersten Weltkriegs.“[49] Und auch der Zusammenhang zwischen der Umsiedlung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Krieg in Jugoslawien hörte nicht auf, Götz Aly zu faszinieren: Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien seien „das böse Nachspiel, das dem Drama eines großen europäischen Irrwegs folgt“.[50] Deshalb fordert Aly unermüdlich eine Revision unserer Geschichtsbilder: „Das Thema ‚Vertreibung’ zwingt dazu, größere geschichtliche Zusammenhänge der deutschen und europäischen Geschichte zu zeigen.“[51] Dabei geht es auch um den Holocaust: „Notwendig wäre es, die Verbindungslinien zwischen Holocaust und Vertreibung offen zu legen.“[52]

 

Der Holocaust wird in diesem historischen Szenario von Götz Aly aus dem Kontext des Antisemitismus hinausgerissen und das allein ist schon bedenklich. Auch wenn man über die spezifischen Züge des traditionellen deutschen Antisemitismus und deren Zusammenhang mit dem Holocaust unterschiedlicher Meinung sein kann, ist Hitlers Antisemitismus zweifellos historisch ein einmaliges Phänomen. Schon in „Mein Kampf“ präsentiert er sich als ein singuläres Phänomen, von dem der Holocaust nicht zu trennen ist. Genau das geschieht jedoch in Götz Alys neuem Szenario: „In den Vernichtungslagern verwirklichten Deutsche die äußerste Form einer europäischen Politik der Dissimilierung, der ethnisch, also rassisch begründeten Diskriminierung, Zwangsenteignung und Deportation. Doch gehört die Ermordung der europäischen Juden mitten in die skizzierte historische Konstellation ethnokratischer Politik hinein.“[53] So erklärt uns heute Götz Aly, warum Gotthold Rhode 1952 von ‚zwangsumgesiedelten bzw. in Vernichtungslager überwiesenen’ Juden sprach und sie in die „Gruppenwanderungen in Europa“ einordnete.

 

Wenn demnächst in Berlin das geplante „Zentrum gegen Vertreibungen“ entstehen sollte, würden die Besucher, so wird angekündigt, das „Schicksal der mehr als fünfzehn Millionen vertriebenen Deutschen aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa“ kennenlernen und einen „Gesamtüberblick über diese europäische Tragödie“ erhalten.[54]  Die Protagonisten des Projekts betonen unermüdlich: „Die Vertreibung anderer Völker, insbesondere in Europa des 20. Jahrhunderts, soll im Zentrum erfahrbar werden.“[55] Man würde dort vor allem an die 15 Millionen deutsche Vertreibungsopfer erinnern, aber irgendwo in einem Nebenraum vielleicht auch an die 6 Millionen ermordete Juden. Das Problem der ‚neuen Welle’ des kollektiven deutschen Erinnerns an die Vertreibung ist nicht, daß viele jüngere Deutsche Interesse an den Erinnerungen und Erlebnissen ihrer Vorfahren bekommen haben; problematisch ist die neue Vorliebe für die Geschichtsbilder der ehemaligen Nazis aus der Nachkriegszeit. 

 

Nach einem halben Jahrhundert, trotz aller politischer Sonntagsreden, historischer Forschungen, Dokumentationen und allerorts aufklärerischer Bemühungen um die ‚Vergangenheitsbewältigung“, scheint die einfachste Deutung der Vertreibung aus der Nachkriegszeit populärer zu sein als zuvor. So wie Eugen Lemberg im Jahre 1950 feststellte, „Was Juden durch Deutsche zugefügt wurde, ist diesen von Tschechen und Polen widerfahren“ [56] , so empfiehl uns heute mit neuen Sprachmitteln Götz Aly, denselben Zusammenhang zu beachten. Sein Plädoyer, „die Verbindungslinien zwischen Holocaust und Vertreibung offen zu legen“[57] klingt wie ein Hinweis auf neu zu erforschende historische Zusammenhänge, aber ähnlich wie seine Denunziation der „Friedensordnung von 1945“, steht auch sein Plädoyer in der Kontinuität des post-nationalsozialistischen Revisionismus.  In Deutschland wurde Alys Aufforderung mit großem Interesse aufgenommen, obwohl auch seine Interpretation des Holocausts von zahlreichen deutschen und in Deutschland wohlbekannten Historikern längst einer profunden Kritik unterzogen wurde;[58] Ulrich Herbert begründete dabei sorgfältig, warum Alys „Konstruktion nicht haltbar ist“[59] und Dan Diner faßte seine Analyse zusammen: „Solche Verallgemeinerungen und zivilisationskritischen Gemeinplätze sind Ausdruck eines Zugangs, der es von Anfang an darauf anlegt, den historischen Gegenstand sowie seine moralischen und bewußtseinsrelevanten Herausforderungen aufzulösen.“[60]

 

Der heute designierter Koordinator eines von der gegenwärtigen Bundesregierung forcierten „Europäischen Netzwerk: Zwangsmigrationen und Vertreibungen im 20. Jahrhundert“, Karl Schlögel, lobte  1999 die Verdienste von Götz Aly dagegen überschwenglich: Aly habe „als erster in seinen Forschungen zur Genese der Endlösung wieder einen Faden aufgenommen“, der schon in der Nachkriegszeit sichtbar geworden, aber durch den Kalten Krieg, „der die Verhältnisse eingefroren und das Denken blockiert“ habe, verloren gegangen sei. Damit habe Aly „eine Wende von paradigmatischer Wucht eingeleitet und neue Forschungen angestoßen“[61]. Unter den Gründungsväter jenes ‚verlorenen’ Faden nennt Schlögel meist den jüdischen Historiker Joseph B. Schechtman und seine Studien über „Postwar Population Transfers in Europe“[62], aber gelegentlich fügt er auch den Namen von Gotthold Rhode hinzu.[63] Diese Vermischung von soliden sozialwissenschaftlichen Studien und propagandistischen post-NS-Pamphleten illustriert anschaulich die fortlebende Desorientierung, die für das neue deutsche Erinnern an die Vertreibung charakteristisch ist. Götz Aly „und dann auch andere“ sollen „den Zusammenhang von Judenmord und ‚ethnischer Flurbereinigung’, Genozid und Zwangswanderung thematisiert und endlich zwei Forschungsbereiche, die immer nur für sich gearbeitet hatten, zusammengebracht“ haben, berichtete im Jahre 2003 Schlögel begeistert.[64]  Künftig soll aber die gesamte europäische Wissenschaft nach diesem Modell reorganisiert werden: Schlögel setzt sich für ein Zusammenführen der beiden bisher „gänzlich unabhängig voneinander existierenden Forschungslinien, ja science communities“ ein, der Holocaust- und der Vertreibungsforschung, die künftig nur ein gemeinsames Thema zu erforschen hätten: das „europäische Vertreibungsgeschehen“.[65]

 

Es nimmt kein Wunder, daß die rechtsradikale Presse in Deutschland begeistert ist und sich eifrig für die Projekte ihrer beiden neuen Lieblingswissenschaftlern einsetzt. Das „Handbuch zu den europäischen Vertreibungen und Bevölkerungstransfers, das Schlögel gemeinsam mit Götz Aly konzipiert hat“, habe bisher keine angemessene finanzielle Unterstützung erfahren, beklagte etwa die Vertriebenenzeitschrift Das Ostpreußenblatt. Aber auch sonst gefällt ihren Redakteuren und Lesern vieles, was Karl Schlögel erzählt über „die linken Repräsentanten eines selbsternannten besseren Deutschlands“ oder über den „Untergang Ostdeutschlands“ als „große geschichtliche und kulturelle Katastrophe“; besonders angetan scheinen sie über sein Plädoyer für eine „neue kulturelle Topographie in Europa“ zu sein, in der „die kulturellen, zeitlichen, sozialen Schichtungen wichtiger seien als Staatsgrenzen.“[66] Der revisionistische Impetus in Schlögels Verknüpfung zwischen dem Holocaust, der Vertreibung und der Grenzziehung von 1945 ist unübersehbar, wenn er etwa sagt: „Aber so unbestreitbar es einen Zusammenhang zischen den Vernichtungslagern und der Vernichtung des deutschen Ostens gibt, so gibt es doch keine Logik in den neuen Grenzziehungen und ethnischen Säuberungen, die ihnen folgten.“[67]

In der neuen deutschen Erinnerungslandschaft bildet das nationalsozialistische Kapitel der deutschen Geschichte, der Holocaust oder der Zweite Weltkrieg nicht mehr die ‚Katastrophe’ des 20. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert als dem ‚Jahrhundert der Vertreibungen’ wurde eine neue Periodisierung vorgenommen und neue Zusammenhänge in den Vordergrund des nationalen Gedächtnisses gestellt. „Der Weg in die Katastrophe“, heißt ein Sammelband der Deutsch-Tschechischen Historikerkommission, der die Jahre 1938-1947 behandelt und „das Ende des Zusammenlebens von Tschechen, Deutschen und Slowaken im gemeinsamen Staate“ als die eigentliche ‚Katastrophe’ präsentiert.[68] Als ihre Vorgeschichte wird hier das Münchner Abkommen von 1938 genannt, in dem sich „die tiefe Entfremdung von Tschechen und Deutschen innerhalb der Tschechoslowakei“ offenbart haben soll und das „erst Juden und Tschechen und dann Sudetendetsche in den Abgrund riß“.[69] Ähnlich soll die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen umgedeutet werden, wie die Studie „Deutsche und polnische Vertriebene“ eines prominenten deutschen Nachwuchshistorikers, Philipp Ther, zeigt.[70] Dort werden die Fragen nach Ursachen und Verantwortlichkeiten für konkrete Geschehnisse verdrängt und einfach dem ‚Zeitalter’ zugeschrieben: Das 20. Jahrhundert sei „das Zeitalter, das Auschwitz, den Gulag und zwei Weltkriege hervorgebracht“ habe, aber dennoch sei es das „Jahrhundert der Vertreibung“.[71] In den Grundzügen seiner Geschichtskonstruktion beruft sich Ther auf die Thesen des schon zitierten Aufsatzes von Hans Lemberg und bietet Variationen der ‚neuen’ Geschichtsbilder: „Zwischen 1939 und 1949 mußten etwa ein Fünftel aller Deutschen und Polen, aber auch insgesamt mehrere Millionen Ukrainer, Ungarn, Tschechen, Finnen, Balten und Weißrussen ihre Heimat verlassen.“ Insgesamt seien „seit den Balkankriegen 1912/13 bis zum Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien zu Beginn der neunziger Jahre allein in Europa 50 Millionen Menschen ihrer Heimat beraubt.“ [72] Um welche ‚Gruppen’ es sich diesmal handelt, wird nicht erklärt, auch nicht, wie der Verfasser diese Zahl errechnet hat. Mit hohler Rhetorik konstruiert Philipp Ther eine Parallelisierung der Geschichte zweier Staaten, die kaum unterschiedlicher sein könnte: Polen und Deutschland seien beide Objekte eines „international gesteuerten Prozesses“[73], und auch Polen sei „ein Opfer von Vertreibung und zugleich ein Vertreiberstaat“ gewesen.[74] Vor diesem Hintergrund erscheinen die Hinweise auf den Nationalsozialismus („Auslöser und Urheber der beispiellosen Völkerwanderung zwischen 1939 und 1949 war Adolf Hitler.“[75]) als ein Musterbeispiel jener NS-Erinnerung, in der die moralische Distanzierung von historischer Entkonkretisierung begleitet wird und die es deutschen Historikern erlaubt, „sich unbefangen und sogar mit dem moralischen Mehrwert des besonders eifrigen Schuldigen dieser Schuld entledigen“ zu können.[76] Akzeptiert man diese neuen Geschichtsbilder, werden bald die Schreckensbilder der Schoah aus dem Mittelpunkt des kollektiven Erinnerns an die Geschichte des 20. Jahrhunderts von den Bildern jener ‚50 Millionen Menschen’, die ‚ihrer Heimat beraubt’ wurden, verdrängt und die beiden ‚Vertreiberstaaten’ Polen und die Tschechoslowakei dem nationalsozialistischen Dritten Reich gleichgestellt.

 

 

***

 

Der Zweite Weltkrieg liegt lange zurück, aber mentale Kontinuitäten wirken fort. Das macht sich nirgends deutlicher bemerkbar als in Deutschland. Die ehemaligen Nazis hinterließen Texte, die von jüngeren Generationen gelesen werden, genauso wie die Texte der ehemaligen Nazi-Gegner. Deshalb bleibt auch die deutsche Erinnerungslandschaft an die Vertreibung – ebenso wie an den Holocaust – zerklüftet. Das führen sogar die deutschen Spitzenpolitiker der Öffentlichkeit immer wieder vor und tragen damit selbst zu einer fortwirkenden Desorientierung bei.

 

In seiner Festrede am traditionellen Festakt der Vertriebenenverbände zum „Tag der Heimat“ im Jahre 2003 bot Bundespräsident Johannes Rau ein Beispiel ‚neuen‘ deutschen Erinnerns. Die Erkenntnis, daß die Nationalsozialisten „in gesetzloser Brutalität“ Umsiedlungen und Vertreibungen praktizierten, sagte Rau, „zeichnet niemanden von der Verantwortung für eigenes Handeln frei –  nicht die, die Hitler die Hand zum Münchener Abkommen reichten und nicht die Konferenzteilnehmer von Teheran, Jalta und Potsdam; nicht die, die in Mittel- und Osteuropa erst mit den Deutschen gemeinsam die Juden entrechteten, danach die Deutschen, und auch nicht jene, die schon im Exil jahrelang die Vertreibung planten. Hitlers verbrecherische Politik entlastet niemanden, der furchtbares Unrecht mit furchtbarem Unrecht beantwortet hat.“[77] Über solche Äußerungen berichtete zwar die Londoner Zeitung Sunday Times unter der Überschrift: „Germany says Britain shares WW 2 Guilt“[78], aber in den deutschen Medien wurden sie nicht beanstandet. Im Gegenteil, das „Nachrichtenmagazin des Bundes der Vertriebenen“, Deutscher Ostdienst, war begeistert: „In einer sehr einfühlsamen Rede ging er auf das Schicksal der Vertriebenen ein und ließ die Verhältnisse der damaligen Zeit bei Ankunft der Vertriebenen in den Besatzungszonen noch einmal vor dem geistigen Auge der Zuhörer entstehen“. Mit Zustimmung wurden auch die Klagen des Bundespräsidenten aufgenommen darüber, „dass die jüngeren Deutschen nur noch wenig über den früheren deutschen Osten und die Katastrophe, die zu seinem Verlust geführt habe, wüßten“[79], und man begrüßte Raus Erinnerung an die mahnenden Worte des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss aus den fünfziger Jahren: „Wer so wenig über den deutschen Osten weiß“, so kritisierte Heuß mit Recht, der begreift gar nicht, welchen Substanzverlust die Deutschen durch den 2. Weltkrieg erlitten haben“. Solche Töne klangen offensichtlich vertraut und wurden dementsprechend mit Wohlwollen aufgenommen.

 

Außenminister Joschka Fischer, selbst Kind einer aus Ungarn vertriebenen Familie, bot dagegen zu derselben Zeit „andere“ Erinnerungen: „Der Schmerz über das Verlorene, über die Zerstörung der deutsch-jüdischen Symbiose, der Schmerz über den unwiederbringlichen Verlust an Kultur, der Schmerz, den man empfindet, wenn man heute etwa in Galizien oder Thessaloniki ist, der Schmerz über den Verlust dieser alten jüdischen Kultur, die dort von den Nationalsozialisten dauerhaft zerstört wurde – das alles ist auch eine Selbstzerstörung deutscher Kultur. Das endete mit der Zerstörung alter deutscher Städte, mit dem Verlust der Heimat und mit der Zerstörung alter deutscher Minderheiten in Südost- und Osteuropa. [...] Aus meiner Sicht geht es nicht um die Vertreibung, sondern um den Prozeß der deutschen Selbstzerstörung. Insofern auch nicht um die Deutschen als Opfer.“ [80] Die Frage, wessen Opfer die Opfer von „Flucht und Vertreibung“ eigentlich seien, beantwortete er eindeutig: Sie seien die Opfer des Nationalsozialismus und damit Opfer anderer Deutscher, nicht der sog. Vertreiberstaaten. Fischer widersprach auch der These von der jahrzehntelangen Tabuisierung: “Von wegen Tabu. Meine ganze Kindheit und Jugend besteht aus diesen Geschichten von Vertreibung, Besatzung, Bombennächten und den Treffen der Heimatvertriebenen. Die ganze Publizistik jener Tage ist voll davon. Ich hatte ganz andere Tabus, nämlich was die Frage der Schuld der Deutschen betrifft, das war ja vor Mitte der sechziger Jahre fast vollkommen ausgeblendet.“

 

Diese Ausführungen riefen in den deutschen Medien, im Unterschied zur Rede von Johannes Rau, ein empörtes Echo hervor. Von „Fischers Perfidie“ stand in der Vertriebenenpresse zu lesen[81], Fischer wurde der Herzlosigkeit beschuldigt („wo bei anderen Menschen ein mitfühlendes Herz schlägt, sitzt bei diesem Manne nur ein Stein“ [82]), und die Frankfurter Allgemeine Zeitung zeigte sich entsetzt über „das Ausmaß moralischer Verwirrung, die sich des Stellvertreters des deutschen Bundeskanzlers bemächtigt hat“. Joschka Fischer habe sich gegen den „Versuch, die Vertreibung singularisiert herauszunehmen“ gewandt, aber „es markiert indes Verbrechen von der Art der Vertreibung der Ostdeutschen, daß sie Vorgeschichte abschneiden“. Die Opfer dieses Verbrechens seien aus allen Zusammenhängen und den Erwartungen an ein normales Leben herausgerissen worden – „auch aus den Kausalzusammenhängen“, und repräsentieren mehr als nur individuelles Leid: „Der Völkermord trifft ein Volk. Mit unserem ist es so weit gekommen, daß es sich von seinen gewählten Regierenden das Recht erstreiten muß, an die Stunde zu erinnern, als es auch Opfer war.“[83]

 

Die deutschen Worte „Völkermord“ und „Genozid“ bezeichnen nicht mehr nur den Holocaust,  ihre Bedeutung ist verwässert, vernebelt worden ebenso wie die Bedeutung des Wortes Holocaust. In einem "Ein Holo­caust auf offener Straße" über­schrie­benen Abschnitt seiner Memoi­ren, beschuldigt der ehemalige Sprecher der wichtigsten sudetendeutschen Vertriebenenorganisation, Walter Becher, die tschechische Nation eines noch größeren Verbrechens: "Zweifellos ist das an den Juden began­gene Verbrechen einmalig und in der Geschichte ohne Beispiel. Während indes seine Urheber den Beschluß zu seiner Durchführung eifrig tarnten sowie diese selbst in abgeschlossenen Lagern voll­zogen, fand der an den Deutschen in Böhmen und Mähren-Schlesien verübte Holocaust auf offener Straße statt."[84] Kaum jemand erinnert sich noch daran, daß Becher selbst im Dienste des NS-Regimes antisemitische Agitation betrieb, aber sein Einfluß macht sich bis heute sogar in der offiziellen Terminologie der Sudetendeutschen Landsmannschaft und ihrem Vorwurf an die EU, das „Genozid“ an Sudetendeutschen zu tolerieren und als rechtens anzuerkennen, bemerkbar.[85] Über den Unterschied zwischen dem, was während des Zweiten Weltkriegs Deutsche den Juden zugefügt haben, und dem, was durch diesen Krieg viele Deutsche selbst erleiden mußten, herrscht in der deutschen Öffentlichkeit eben nach wie vor eine weit verbreitete Unklarheit.

 

Das kollektive Erinnern reproduziert nicht die vergangene Wirklichkeit wie ein Spiegel, und es verhilft nicht unbedingt zu einer klareren Sicht des Vergangenen. Die nachgeborenen Generationen müssen sich in dem Labyrinth der Erzählungen ihrer Vorfahren selbst stets von neuem orientieren, weil die Vergangenheit in Erzählungen fortwirkt. Deshalb ist es für junge Deutsche auch 60 Jahre nach Kriegsende nicht leicht, sich in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs zu orientieren. Es wäre falsch und dumm, ihnen bösen Willen zu unterstellen, aber sich unkritisch mit den heute populären Geschichtsbildern von der Vertreibung als einer „ethnischen Säuberung“ wie mit einer momentanen Mode zufrieden zu geben, würde bedeuten, sich neuen Variationen auf die Geschichtsinterpretationen ehemaliger NS-Agitatoren auszuliefern. Im Erinnern lebt die Vergangenheit fort, und deshalb ist das Nachdenken darüber, von wessen Erzählungen und Informationen wir uns bei unserer Suche nach den Spuren der Vergangenheit inspirieren lassen, mit wessen Erzählungen wir uns vertraut machen und wie kritisch wir mit den Erzählungen unserer Vorfahren umgehen, von entscheidender Bedeutung nicht nur für unsere Geschichtsbilder, aber auch für die Zukunft unserer Kinder.[86]

 

 

 

© Eva und Hans Henning Hahn

 


 


[1] Eugen Lemberg: Geschichte des Nationalismus in Europa, Stuttgart 1950, S. 11.

[2] Norman M. Naimark: Flammender Hass. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert, München 2004, Klappentext (Englisch: Norman M. Naimark “Fires of Hartred: Ethnic Cleansing in twentieth-century Europe”, Harvard University Press, Cambridge MA-London 2001).

[3] Alfred Rosenberg: Letzte Aufzeichnungen. Ideale und Idole der nationalsozialistischen Revolution, Göttingen 1955, S. 291.

[4] Eugen Lemberg: Geschichte des Nationalismus in Europa, Stuttgart 1950, S. 11.

[5] Für näheres über Eugen Lemberg vgl. Eva Hahn: Das völkische Stereotyp ‚Osteuropa’ im Kalten Krieg: Eugen Lembergs ‚Erkenntnisse’ über Osteuropa aus der Sicht der historischen Stereotypenforschung, vgl. www.bohemistik.de.

[6] Eugen Lemberg: Ostkunde. Grundsätzliches und Kritisches zu einer deutschen Bildungsaufgabe. Hannover-Linden 1964, S. 38f.

[7] Eugen Lemberg, ebenda, S. 39.

[8] Bundesminister Otto Schily in seiner Rede auf der Festveranstaltung zum 50. Jahrestag des Bundes der Vertriebenen am 29.5.1999, zit. nach www.aka-bs.de/ak0/ak190529-.htm v. 24. 10. 2004.

[9] Sudetendeutsche Zeitung 26. 9. 2003.

[10] Deutscher Ostdienst, Jg. 45, Nr. 5/2003, S. 9.

[11] Dieses Projekt geht auf die Initiative des SPD-Abgeordneten Markus Meckel zurück, vgl. sein Aufruf „Gemeinsame Erinnerung als Schritt in die Zukunft. Für ein Europäisches Zentrum gegen Vertreibungen, Zwangsaussiedlungen und Deportationen – Geschichte in Europa gemeinsam aufarbeiten“, veröffentlicht am 14.7.2003 (zit. nach www.markusmeckel.de v. 21. 10. 2004).

[12] Der Spiegel 2/2003, S. 41.

[13] Der Spiegel 2/2003, S. 41.

[14] Der Spiegel 2/2003, S. 5.

[15] Der Spiegel Nr. 13/2002 vom 25.3.2002, S. 36-64; ebenda Nr. 14/2002 vom 30.3.2002, S. 58-73; ebenda Nr. 15/2002 vom 8.4.2002, S. 56-74; ebenda Nr. 16/2002 vom 15. 4. 2002, S. 62-75.

[16] Der Spiegel Nr. 2/2003 vom 6.1.2003, S. 38-50; ebenda Nr. 3/2003 vom 13. 1. 2003, S. 118-125; ebenda Nr. 4/2003 vom 20. 1. 2003, S. 82-88; ebenda Nr. 5/2003 vom 27. 1. 2003, S. 58-64.

[17] Der Spiegel Nr. 2/2003, S. 5.

[18] Hans Lemberg: „Ethnische Säuberung“: Ein Mittel zur Lösung von nationalen Problemen?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. B 46/92, 6. November 1992, hier zit. nach Hans Lemberg: Mit unbestechlichen Blick... Studien von Hans Lemberg zur Geschichte der böhmischen Länder und der Tschechoslowakei. Festgabe zu seinem 65. Geburtstag, hrsg. v. Ferdinand Seibt, Jörg K. Hoensch, Horst Förster, Franz Machilek und Michaela Marek, München 1998, S. 377-396.

[19] Hans Lemberg, ebenda, S. 386.

[20] Hans Lemberg: Mehr als eine Wanderung. Eine Einführung, in: K. Erik Franzen: Die Vertriebenen. Hitlers letzte Opfer, München 2001, S. 12-33, hier S.  12.

[21] Aufruf „Gemeinsame Erinnerung als Schritt in die Zukunft. Für ein Europäisches Zentrum gegen Vertreibungen, Zwangsaussiedlungen und Deportationen – Geschichte in Europa gemeinsam aufarbeiten“, veröffentlicht am 14. 7. 2003 (zit. nach www.markusmeckel.de v. 21. 10. 2004).

[22] Erinnerung und Gedenken finden ihren Sinn im Willen für eine bessere Zukunft

Rede von Bundesinnenminister Otto Schily auf der Festveranstaltung zum 50. Jahrestag des Bundes der Vertriebenen am im Berliner Dom, zit. nach www.aka-bs.de/ak0/ak190529-.htm v. 24. 10. 2004.

[23] Für alle Zitate in diesem Absatz vgl. Antje Vollmer im Deutschen Bundestag am 16. 5. 2002 (Plenarprotokoll 14/236).

[24] Samuel Salzborn: Falsche Opferrolle, in: Jüdische Allgemeine 10. 6. 2004.

[25] Vgl. www.vertreibungszentrum.de sowie Frankfurter Rundschau, Gazeta wyborcza und Lidové noviny v. 4.9.2003.

[26] Norman M. Naimark: Flammender Hass. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert, München 2004 (Englisch: Norman M. Naimark “Fires of Hartred: Ethnic Cleansing in twentieth-century Europe”, Harvard University Press, Cambridge MA-London 2001).

[27] Naimark, ebenda, S.11.

[28] Naimark, ebenda (Klappentext).

[29] Tagungsprogramm der Europäischen Akademie Otzenhausen, „Vertreibung in Europa während und nach dem Zweiten Weltkrieg“, 8.-10. 2004.

[30] Naimark: Flammender Hass, S. 105f..

[31] Naimark, ebenda, S. 172.

[32] Naimark, ebenda, S. 251.

[33] Götz Aly: Jahrhundert der Vertreibung. Vaclav Havel, der Bürgerkrieg in Bosnien und die Sudetendeutschen, in: Wochenpost 29. 4. 1993.

[34] Gotthold Rhode: Völker auf dem Wege... Verschiebungen der Bevölkerung in Ostdeutschland und Osteuropa seit 1917, Kiel 1952.

[35] Rhode, ebenda, S. 5.

[36] Rhode, ebenda, S. 6.

[37] Vgl. Maria Todorova: Imagining the Balkans, New York-Oxford 1997.

[38] Rhode, ebenda, S. 15.

[39] Rhode, ebenda, S. 16.

[40] Rhode, ebenda, S. 17.

[41] Rhode, ebenda, S. 24.

[42] Rhode, ebenda, S. 14.

[43] Rhode, ebenda, S. 24.

[44] Rhode, ebenda, S. 28-30.

[45] Eugen Lemberg: Geschichte des Nationalismus in Europa, Stuttgart 1950, S. 11.

[46] Götz Aly: Jahrhundert der Vertreibung. Vaclav Havel, der Bürgerkrieg in Bosnien und die Sudetendeutschen, in: Wochenpost 29. 4. 1993.

[47] Die Tschechen und die Deutschen auf dem Weg zur guten Nachbarschaft. Ansprache des Präsidenten der Tschechischen Republik Václav Havel, Karlsuniversität Prag, 17. 2. 1995.

[48] Götz Aly in: www.sueddeutsche.de v. 24.7.2003.

[49] Götz Aly, ebenda.

[50] Götz Aly: Dafür wird die Welt büßen. Ethnische „Säuberung“, ein europäischer Irrweg, in: Derselbe: Rasse und Klasse. Nachforschungen zum deutschen Wesen, Frankfurt am Main 2003, S. 28-41, hier S. 40.

[51] Götz Aly in: www.sueddeutsche.de v. 24.7.2003.

[52] Götz Aly, ebenda.

[53] Götz Aly, ebenda.

[54] Erika Steinbach: Wir wollen informieren, mahnen und sensibilisieren, in: Deutscher Ostdienst, DOD-Sonderdruck: Zentrum gegen Vertreibungen v. 16. 6. 2002, S. 2.

[55] Ebenda.

[56] Eugen Lemberg: Geschichte des Nationalismus in Europa, Stuttgart 1950, S. 11.

[57] Götz Aly in www.sueddeutsche.de v. 24.7.2003.

[58] Vgl. vor allem Wolfgang Schneider (Hg.): „Vernichtungspolitik“. Eine Debatte über den Zusammenhang von Sozialpolitik und Genozid im nationalsozialistischen Deutschland, Hamburg 1991 und Yad Vashem Studies XXIV, Jerusalem 1994.

[59] Ulrich Herbert: Rassismus und rationales Kalkül. Zum Stellenwert utilitaristisch verbrämter Legitimationsstrategien in der nationalsozialistischen „Weltanschauung“, in: Wolfgang Schneider (Hg.): „Vernichtungspolitik“. Eine Debatte über den Zusammenhang von Sozialpolitik und Genozid im nationalsozialistischen Deutschland, Hamburg 1991, S. 25-35, hier S. 35.

[60] Dan Diner: Rationalismus und Methode: Zu einem Erklärungsversuch der ‚Endlösung’, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 40, 1992,  S, 359-382, hier S. 382.

[61] Karl Schlögel: Wie denkt man zweierlei Untergang zusamenn?, in: Frankfurter Rundschau 3. 7. 1999.

[62] Joseph P. Schechtman: Postwar Population Transfers in Europe: A Survey, in: The Review of Politics 15, 1953, S. 151-178 und Ders.: Postwar Population Transfers in Europe 1945-1955, Philadelphia 1962.

[63] Karl Schlögel: Europas verschobene Völker. Die Geschichte der Vertreibung beginnt mit dem Zusammenbruch der großen Imperien, in: Die Zeit 18/1999 (Dossier).

[64] Karl Schlögel: Die Düsternis – im neuen Licht, in: Die Zeit 31/2003.

[65] Karl Schlögel: Wie denkt man zweierlei Untergang zusamenn?, in: Frankfurter Rundschau 3. 7. 1999.

[66] Das Ostpreußenblatt 12. 6. 1999.

[67] Karl Schlögel: Wie denkt man zweierlei Untergang zusamenn?, in: Frankfurter Rundschau 3. 7. 1999.

[68] Der Weg in die Katastrophe. Deutsch-tschechoslowakische Bezie­hungen 1938-1947. Für die deutsch-tschechische und deutsch-slowa­kische Hiustorikerkommission hrsg.v. Detlef Brandes und Václav Ku­ral, Essen 1994 (Veröffentlichungen des Instituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 3), S. 11.

[69] Ebenda.

[70] Philipp Ther: Deutsche und polnische Vertriebene.Gesellschaft und Vertriebenenpolitik in der SBZ/DDR und in Polen 1945-1956, Göttingen 1998.

[71] Ebenda, S. 11.

[72] Ebenda, S. 11.

[73] Ebenda, S. 45.

[74] Ebenda, S. 21.

[75] Ebenda, S. 11.

[76] Gerd Wiegel: Globalisierte Erinnerung? Die Universalisierung der NS-Erinnerung und ihre geschichtspolitische Funktion, in: Michael Klundt/Samuel Salzborn/Marc Schwietring/Gerd Wiegel: Erinnern, Verdrängen, Vergessen. Geschichtspolitische Wege ins 21. Jahrhundert, Giessen 2003, S. 109-136, hier S. 128.

[77] Tag der Heimat 2003, hrsg.v. Bund der Vertriebenen/Vereinigte Landsmannschaften e.V.,  Bonn 2003, S. 16.

[78] Sunday Times 28.  9. 2003; für weitere englische Reaktionen vgl. Ein Volk von Opfern? Die neue Debatte um den Bombenkrieg 1940-1945, hrsg. v. Lothar Kettenacker, Berlin 2003.

[79] Deutscher Ostdienst 45/9, 2003, S. 5.

[80] „Was haben wir uns angetan?“ Ein ZEIT-Interview mit Außenminister Joschka Fischer über ein Zentrum gegen Vertreibungen und über das Geschichtsbild der Deutschen, in: Die Zeit 28. 8. 2003.

[81] Sudetendeutsche Zeitung 5. 9. 2003.

[82] Sudetendeutsche Zeitung 12. 9. 2003.

[83] Frankfurter Allgemeine Zeitung 29. 8. 2003.

[84] Becher, Walter: Zeitzeuge. Ein Lebensbericht. München 1990, S. 146f.

[85] Resolution zur Landesversammlung 2004, in: Sudetendeutsche Zeitung 29. 10. 2004.

[86] Unser aufrichtiger Dank gilt Gilad Margalit von der Universität Haifa. Er hat uns nicht nur dazu angeregt, diesen Essay zu schreiben, sondern bereicherte auch unseren Horizont mit Ideen und wertvollen Hinweisen während dessen Entstehungsphase.